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[Anmerkungen von men-kau-ra so]
[Anmerkungen aus externen Quellen, ggf mit Link `quelleExtern' so]
Links führen nicht zwingend zur zutreffenden Stelle im Text, es kann erforderlich sein, auch die folgenden Absätze einzubeziehen

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Die Freiheit des Einzelnen und das Sicherheitsdenken - Der Weg zur Knechtschaft - The Road to Serfdom: F. A. Hayek


Die rassistischen Wurzeln des Neokonservatismus - Nach Bush, Das Ende der Neokonservativen und die Stunde der Demokraten: Paul Krugman


Hitlers Volksstaat - Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus: Götz Aly


Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 - 1933: Götz Aly


Europa gegen die Juden - 1880-1945: Götz Aly


Deutschland und die Juden heute: Deborah Feldman



Die Freiheit des Einzelnen und die bequeme Einfachheit einer geplanten Welt
Sicherheitsdenken tötet die Freiheit
Verwechseln der Ziele des Sozialismus mit dem Weg zu ihnen
Verwechslung des Marxismus mit dem Sozialismus
Der nationalsozialistische Sozialstaat (Exkurs)
[Der amerikanische Neoliberalismus 1]

Aus       Friedrich August von Hayek
      (Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1974)
Der Weg zur Knechtschaft - The Road to Serfdom - (London, 1944)
[Kommentare von men-kau-ra: so, lange Kommentare auch so]

"Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder eine Ordnung unter der unpersönlichen Disziplin des Marktes oder eine vom Willen weniger Individuen beherrschte Ordnung, und diejenigen, die darauf ausgehen, die erste zu zerstören, helfen - wissentlich oder unwissentlich - die zweite aufzurichten." p 174

"Eine Bewegung, deren hauptsächliche Verheißung die Entlastung von der Verantwortlichkeit ist, muss notwendigerweise antimoralische Wirkungen haben, mag sie auch von noch so hohen Idealen ausgegangen sein." ....
"Es ist wahr, dass die Tugenden, die heute weniger geschätzt und geübt werden - Unabhängigkeitssinn, Selbsthilfe, die Bereitschaft, ein Risiko auf sich zu nehmen und seine Überzeugung gegen eine Mehrheit zu vertreten, und der Wille zur Zusammenarbeit mit den anderen -, gerade diejenigen sind, auf denen das Getriebe der individualistischen Gesellschaft beruht." p 184f

.... "Weder ein allmächtiger Superstaat noch eine lose Vereinigung von „freien Nationen“ muss unser Ziel sein, sondern eine Gemeinschaft von Nationen freier Menschen." p 205

"Planwirtschaft ist die Anwendung der Ingenieurtechnik auf die ganze Nation." p 113

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[Zur Einordnung Friedrich August von Hayeks: Sebastian Müller - Der Anbruch des Neoliberalismus, 2016, Promedia, Wien, p25:
Die Ursache der Begrenztheit des menschlichen Wissens und seiner Vernunft lagen für Hayek erstens in der menschlichen Unfähigkeit, eine komplexe soziale Ordnung zu entwerfen und zu gestalten, zweitens in der Streuung des vorhandenen Wissens auf eine Vielzahl von Menschen .... Gesellschaftliches Wissen oder eine Form der gemeinschaftlichen Wissensproduktion war für ihn genauso wenig existent wie eine Wissenschaft in der Lage sein könne, für eine Verallgemeinerung des Wissens zu sorgen, um alle Mitglieder der Gesellschaft von dem Wisen der Einzelnen profitieren zu lassen. Wissen existiere nur als das Wissen von Einzelnen. Die Lösung dieses Problems lag für Hayek allein in der Institution des Marktes .... Hayeks Axiom ist die Marktwirtschaft als das Ergebnis eines Prozesses der kulturellen Evolution. Die moderne Gesellschaft habe sich nicht bewusst für die Marktwirtschaft entschieden, sie sei vielmehr das Resultat einer geschichtlichen Eigendynamik. Just an dieser Stelle erhält das Postulat des ökonomischen Sachzwanges, genauer die von Margaret Thatcher geprägte TINA-Formel (There is no Alternative) ihr theoretisch-ideologisches Fundament.
Zum zugrundeliegenden pessimistischen Menschenbild siehe
Jean-Claude Michéa]
Weiter auf p102 in Fn294, nach Jürgen Nordmann: Alexander Rüstow kritisiert in “ Das Versagen des Wirtschaftsliberalismus”, 1950, nicht nur den Nachtwächterstaat sondern auch das religiöse Marktverständnis des Wirtschaftsliberalismus. Hayek hielt er für einen ‘ewig gestrigen’, dem kein Hund mehr aus der Hand fresse. Hayek und Mises gehörten ins Museum und zu einer Gattung Liberaler, die die gegenwärtige Katastrophe heraufbeschworen hätte.


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Sowohl der Liberalismus als auch der Sozialismus streben nach Freiheit und Gleichheit. Der Sozialismus aber definiert die Begriffe um: "Die Demokratie dehnt die Sphäre der individuellen Freiheit aus, der Sozialismus dagegen schränkt sie ein. Die Demokratie erkennt jedem einzelnen seinen Eigenwert zu, der Sozialismus degradiert jeden einzelnen zu einem Funktionär der Gesellschaft, zu einer bloßen Nummer. Demokratie und Sozialismus haben nur ein einziges Wort miteinander gemeinsam: die Gleichheit. Aber man beachte den Unterschied: während die Demokratie die Gleichheit in der Freiheit sucht, sucht der Sozialismus sie im Zwang und in der Knechtung." Alexis de Tocqueville, Oeuvres completes Bd IX, Paris, 1866, p546 (geschrieben 1848)
[Anmerkung: Wer in der Freiheit etwas anderes sieht als sie selbst, ist zum Diener geschaffen. Manche Völker jagen der Freiheit unablässig nach, durch alle Gefahren und Nöte hindurch. Dann lieben sie an ihr nicht die materiellen Güter, die sie ihnen bringt, sie betrachten sie selbst als ein so kostbares und notwendiges Gut, dass kein anderes sie über ihren Verlust trösten könnte, und dass sie sich über alles hinweg trösten, wenn sie nur sie genieß. Andere werden ihrer mitten in ihrem Glück müde; sie lassen sie sich widerstandslos aus der Hand reissen, aus Furcht, bei einer Anstrengung den Wohlstand zu gefährden, den sie doch ihr verdanken. Was fehlt diesen, um frei bleiben zu können? Nun was? Eben der Wunsch, frei zu sein. Man erwarte nicht von mir, diesen edlen Wunsch zu zergliedern. Er muss empfunden werden. Er senkt sich von selbst in die großen Herzen, die Gott für ihn vorbereitet hat, er erfüllt, er entflammt sie. Man muss darauf verzichten, ihn den mittelmäßigen Seelen, die ihn nie verspürt haben, verständlich zu machen.
Alexis de Tocqueville, Das Zeitalter der Gleichheit, Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk, Stuttgart 1954]
Der begriff der freiheit wird verändert von "freiheit von despotie und willkür anderer" in "freiheit von not, vom zwang der umstände" und damit in ein synonym von "macht und reichtum". Durch all dies kann es geschehen, dass liberale im sozialismus ein vermeintliches erbe der liberalen tradition sehen ohne sich klar zu sein darüber, dass der sozialismus zum gegenteil der freiheit führen kann. ".... der Stalinismus, statt besser, schlimmer ist als der Faschismus, unbarmherziger, barbarischer, ungerechter, unmoralischer, antidemokratischer, ohne durch eine Hoffnung oder ein Bedenken gemildert zu werden .... dass man besser daran täte, ihn als einen Superfaschismus zu bezeichnen." Eastman, Max (alter Freund Lenins), Stalin's Russia and the Crisis of Socialism, London, 1940, p82
"Der vollständige Bankerott des Glaubens, man könne zu Freiheit und Gleichheit durch den Marxismus gelangen, hat Russland auf denselben Weg zu einem totalitären, rein negativen und nicht-ökonomischen Gesellschaftssystem der Unfreiheit und Ungleichheit getrieben, den Deutschland gegangen ist. Nicht als ob Kommunismus und Faschismus dasselbe wären. Faschismus ist das Stadium, das erreicht wird, nachdem der Kommunismus sich als Illusion herausgestellt hat, und er hat sich im Russland Stalins als eine ebenso große Illusion erwiesen wie im vorhitlerischen Deutschland." Drucker, Peter, The End of Economic Man, 1939, p230
So haben auffällig viele der führenden männer im faschistischen Italien Mussolinis, auch dieser selbst, wie im nationalsozialistischen Deutschland als sozialisten begonnen. Bei all dem wird auch der demokratische sozialismus mit eingeschlossen als nicht verwirklichbare illusion. Ein gängiges missverständnis ist die identifizierung der ziele des sozialismus mit dem sozialismus an sich, der ja auch aus dem wege zur verwirklichung dieser ziele besteht. Und der streit zwischen den liberalen und den sozialisten wird geführt über den weg, nicht die ziele. Der sozialismus ist eine idee aus der menge der kollektivistischen ideen. Und diesen eigen ist das streben nach einer zentral gelenkten planwirtschaft. Während der liberalismus lediglich die rahmenbedingungen schaffen will für all die darin verwirklichbaren individuellen (lebens)pläne.
Allgemein wird nicht argumentiert, die planwirtschaft sei wünschenswert, sondern sie sei eine zwangsläufige entwicklung im gefolge des technischen fortschrittes. Meist jedoch wird dies nicht näher ausgeführt. Untersuchungen in den USA 1941 zeigen: großbetriebe sind nicht effizienter als kleinere, das optimum liegt vor dem erreichen einer überwiegend monopolistischen struktur. Die monopolisierung ist nicht folge der technik, sondern regierungspolitischer maßnahmen und geheimabsprachen etc. Insbesondere in jungen industriellen volkswirtschaften wie e.g. USA und Deutschland greift die monopolisierung um sich, in Deutschland ab 1878 systematisch bedingt durch schutzzölle etc. In Großbritannien erfolgte mit der einführung des protektionismus (1929?) schlagartig eine umgestaltung und monopolisierung der wirtschaft.
Die geistesgeschichte ab etwa 1870 zeigt die willkür der gesellschaftlichen entwicklung und nicht deren zwangsläufigkeit [und damit SICHERHEIT], wie von den planwirtschaftlern behauptet.
Offensichtlich ist allerdings auch die zunehmende komplizierung des wirtschaftsprozesses und damit die schwierigkeit des umfassenden begreifens [und damit SICHER wissens] desselben. Dies macht für die planwirtschaftler eine koordination der einzelprozesse durch eine zentrale leitung unvermeidlich, soll sich die gesellschaft nicht im chaos auflösen. Doch kann dies nicht durch ein zentralorgan erfolgen, sondern lediglich durch ein allgemein doch dezentral wirkendes agens, welches den marktteilnehmern die für sie jeweils notwendigen informationen übermittelt: den preismechanismus. Dieser aber kann nur funktionieren bei vorherrschend wettbewerblich organisiertem markt.
Auffällig viele technisch sachverständige finden sich unter den planwirtschaftlern. Dies rührt aus der hoffnung der "spezialisten", in einer planwirtschaft ihr jeweiliges durch ihre stets begrenzte sicht sich ergebende anliegen zur verbesserung oder bewahrung der welt umsetzen zu können. Dass enthusiasmus und fanatismus nahe beieinander liegen, erhellt die gefährlichkeit dieser im rahmen einer wettbewerbswirtschaft wertvollen menschen, lässt man sie gewähren. Sie, das sind e.g. rationalisierungsfanatiker, gesundheitsfanatiker, technikfeinde, umweltbewahrer, mobilitätsenthusiasten etc mit ihrer jeweiligen absicht. Es gibt beispiele geplant besser oder überhaupt erst durchführbarer projekte, doch ist die bewahrung der freiheit stets wertvoller als das projekt.
Ebenso wie das enthusiastische individuum will nun die planwirtschaft die kraft der gesellschaft(sordnung) auf ein einziges (gemeinsames) ziel richten, stets als "gemeinwohl" etc bezeichnet. Soll dies real umgesetzt werden, ist ein umfassender moralkodex nötig, welcher jedem seinen platz in der weltordnung anweist. Die in unserer gesellschaft ab(ge)laufen(d)e entwicklung zur aufhebung des (minutiösen) ritus und die beschränkung des moralkodex auf allgemeine grenzziehungen würde hierdurch vollständig umgekehrt; davon abgesehen, dass diese ordnung unmöglich zu realisieren wäre. Deshalb sieht der Individualismus die erkenntnis und weltsicht des individuums stets als beschränkt und sein wirken als partikulär, weshalb die gesellschaft der individuen als ganze die entwicklung voranbringt als summe der einzelaktivitäten innerhalb der bestimmten grenzen. Dies hat nichts mit egoismus oder dessen verherrlichung zu tun [aber mit statistik].
Vereinigen werden sich die individuen am ehesten zu gemeinsamen zielen, die mittel zur erreichung vieler verschiedener zwecke und nicht selbst endzweck sind.
Bereits 1928 herrschte der deutsche staat in form lokaler und zentraler behörden über 53% des volkseinkommens [staatsquote] und damit über die volkswirtschaft.
Auf dem weg zur installierung einer planwirtschaft liegt das problem, mehr übereinstimmung unter den individuen voraussetzen zu müssen, als wirklich besteht. So müssen im parlament komplexe gesetze etc behandelt werden, die sich nicht mehr diskutieren und lösen lassen, was zu einer politik der ermächtigungen für einzelne behörden etc führt. Paradoxer weise zerfällt damit die möglichkeit eines allumfassenden planes. Das parlament wirkt wie eine "schwatzbude", der ruf nach vollmachten für regierung / behörde / einzelperson wird laut, um etwas durchzusetzen. Dies führt zum zerfall der demokratie, zu diktatur und Hitler.
"Demokratie ist nur um den Preis zu haben, dass allein solche Gebiete einer bewussten Lenkung unterworfen werden können, auf denen eine wirkliche Übereinstimmung über die Ziele besteht, während man andere Bereiche sich selbst überlassen muss." Die Demokratie regelt nur das, was sie unter wahrung des prinzips der übereinstimmung kann. Die planwirtschaft muss zentral alles regeln, kann nicht auf mehrheitsbildungen warten, womit notwendig eine minorität die macht erhält. Demokratie ist aber nur möglich in einem auf privateigentum und wettbewerb beruhenden wirtschaftssystem.
Demokratie ist nicht allein durch das wahlverfahren gewährleistet. Sie kann durch setzung einer aufgabe, welche anwendung der staatsgewalt voraussetzt, die sich nicht an festen normen orientieren kann, zur (frei gewälten) willkürherrschaft werden.
Jeder einzelne muss das verhalten des staates voraussehen können, um sie in seine eigenen pläne einbauen zu können. Für den Rechtsstaat ist die existenz einer norm, stets ohne ansehen der person angewandt, wichtiger als die art der norm selbst. "Der Staat sollte sich auf die Setzung von Normen beschränken, die sich auf allgemeine typische Situationen beziehen und sollte den Individuen Freiheit in allem lassen, was von den zeitlichen und räumlichen Umständen abhängt, weil nur die jeweils in Frage kommenden Individuen volle Kenntnis dieser Umstände haben und ihnen ihre Akte anpassen können. .... je mehr der Staat „plant“, das Planen für den Einzelnen umso schwieriger wird." "Unparteiisch sein heißt nämlich, bestimmte Fragen unbeantwortet lassen - jene Art von Fragen, die wir gegebenenfalls durch Abzählen an den Knöpfen entscheiden." Der rechtsstaat ist ein system der vertragsfreiheit. Notwendig also folgt aus einer politik der materiellen oder substanziellen gleichheit der individuen der widerspruch zu deren gleichheit vor dem gesetz, muss man sie doch verschieden behandeln, um ihnen dieselben objektiven lebensbedingungen zu verschaffen. Kant (Voltaire neu formulierend): "Der Mensch ist frei, wenn er keiner Person, sondern nur den Gesetzen zu gehorchen braucht."
"Möglicherweise hat Hitler seine unbeschränkten Vollmachten in einer streng verfassungsmäßigen Weise erlangt, so dass alle seine Handlungen daher in juristischem Sinne legal sind. Aber wer wollte daraus schließen, dass in Deutschland noch immer das Prinzip des Rechtsstaates herrscht?" Wo doch der anwendung staatlicher gewalt keine grenzen gesetzt sind, sie nicht mehr länger im voraus festgelegten normen folgen muss. [Dass das NS-rechtssystem eine "fortsetzung" des rechtsstaates war, zeigt sich auch in dem umstand, dass es nicht gelang, die richter gleichzuschalten; so wurde zBsp hühnerdiebstahl nach wie vor als mundraub behandelt, von anderen richtern jedoch wegen wehrkraftzersetzung mit der todesstrafe belegt]
Das strafrecht des rechtsstaates folgt dem prinzip "nulla poena sine lege" - keine bestrafung ohne (bestehende(s), einschlägige(s)) recht(svorschrift). Im totalitären staat wird daraus "nullem crimem sine poena" - kein verbrechen ohne strafe, ob diese nun durch gesetz vorgeschrieben ist oder nicht.
Konsequente planwirtschaftler sagen: in einer rational geordneten welt wird es keine menschenrechte sondern nur pflichten geben. Der schutzwall der persönlichkeitsrechte darf höchstens im extremfall krieg überschritten werden [weshalb der gottesstaat unter präses Bush 2001 der welt ("des terrors") den (permanenten) krieg erklären musste]. Minoritäten lassen sich erfahrungsgemäß rücksichtslos unterdrücken, ohne jemals den gesetzlichen minderheitenschutz dem buchstaben nach zu verletzen. Planwirtschaftler wissen, dass die planwirtschaft nur mit einer diktatur machbar ist und trösten damit, diese betreffe ja doch "nur" wirtschaftliche fragen. Dies kann jedoch nicht funktionieren, da es keine eigentlichen wirtschaftlichen motive gibt - diese sind immer mittel zum zweck (cf. Exkurs sozialwesen der ns-diktatur). Das bedeutet, das wirtschaftliche kommando ist untrennbar verbunden mit dem kommando über das mittel für all unsere ziele. Das planungszentrum gibt nun die (zu verwirklichenden) ziele vor. Viel wichtiger jedoch als die organisation des konsums durch die planwirtschaft ist die reglementierung (standardisierung) der berufswahl mit der damit für die individuen verbundenen unfreiheit [cf. den film "Gattaca"] . Damit ist die planwirtschaft enger als das ständewesen, welches nur die arbeitsteilung des erwerbslebens betraf, den damals noch viel größeren bereich der selbstversorgung jedoch nicht.
Auch die beschränkung auf die abschaffung des kapitaleinkommens ist kein gangbarer weg. Im Russland der 1930er betrug das verhältnis der höchsten zu den niedersten einkommen ebenso wie in den USA etwa 50:1. Andererseits vernichtet die ersetzung der vielen eigentümer durch den einen staat freiheit: anstatt des einen reichen, dem er entfliehen kann hätte nun der zuständige funktionär macht über den einzelnen.
Auch lässt sich die planwirtschaft nicht auf die produktion beschränken, die einkommen frei lassend [verkaufspreise können ja nicht unabhängig von den einkommen der produzenten festgelegt werden].
Seelisch ist eine durch anonyme marktkräfte verursachte ungleichheit leichter zu ertragen als eine durch die konkrete regierung auferlegte.

Mangels genügend großer unterstützung in der bevökerung beschränken sich die sozialisten darauf "größere freiheit" zu wollen. Doch ist dies, völlig anders als das positive ideal absoluter gleichheit, etwas rein negatives, ausdruck der unzufriedenheit mit den bestehenden zuständen.
"Mit einer festen Regel wie derjenigen der Gleichheit mag man sich abfinden und ebenso mit Zufall oder äußerer Notwendigkeit; aber dass eine Handvoll Menschen jeden einzelnen wägt und ganz nach ihrem Ermessen und Belieben dem einen mehr und dem anderen weniger gibt, wäre nur erträglich, wenn es sich um Menschen handeln würde, die für Übermenschen gehalten werden und sich in eine Sphäre übernatürlicher Schrecken hüllen." Mill, John Stuart, Principles of Political Economy, Buch II, Kap. I, § 4, London, 1865.
Das problem der vereinheitlichung der ziele für die vielen gruppen der gesellschaft meinen die sozialisten durch erziehung lösen zu können. Doch rein aus bildung und wissen kann keine einheitliche sittliche auffassung erstehen; es ist ein wertesystem durch einen glauben nötig, es muss ein system der abrichtung installiert werden (dessen sich das nationalsozialistische wie das faschistische system bedienen ohne viel hinzu erfinden zu müssen).
Der sozialismus teilt grundsätzlich die gesellschaft in zwei klassen: arbeiter und kapitalisten - der mittelstand verschwindet.
(cf. Exkurs sozialwesen der ns-diktatur). Arbeiter werden als `alte mitglieder der bewegung' bevorteilt [bei der neuordnung des tarifsystemes 2004 sollen nach willen der gewerkschaften deren mitglieder besser gestellt werden als andere]. Doch entsteht eine neue `mittelschicht' in form von verwaltungsangestellten, lehrern, kaufleuten etc. Diese werden jedoch nicht entsprechend den arbeitern unterstützt. So entsteht eine neue, zu kurz gekommene arbeiteraristokratie. Verdient dann ein akademisch gebildeter ingenieur einen bruchteil des gehaltes eines mitgliedes der stärksten arbeitergewerkschaften, nimmt nicht wunder, dass im anfang die mitglieder der nationalsozialistischen bewegung im durchschnitt schlechter bezahlt waren als diejenigen der älteren sozialistischen partei. In Italien gab es den begriff des "umgekehrten klassenkampfes". Ein hoher prozentsatz der nationalsozialisten und faschisten rekrutierte sich aus der unteren mittelklasse. Sie fühlten sich berechtigt, mitglieder der führenden klasse zu sein [cf. umfrage das magazines "Der Spiegel" nach den landtagswahlen 2004 im deutschen osten: auch hier signifikant mehr zustimmung zu der aussage "ich hätte besseres verdient als ich erhalte" (sinngemäß) unter wählern der rechten als in der gesamten wählerschaft]. Doch verabscheuen sie wegen ihrer sozialistischen erziehung die "profitmacherei" und das risiko, streben in sichere, fest besoldete abhängige stellungen.
Die ernstafteste bedrohung der freiheit erwächst aus dem allgemeinen STREBEN NACH SICHERHEIT. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der sicherung der existenz gegen schwere körperliche entbehrungen, unfall, erdbeben (mindesteinkommen) sowie andererseits sicherheit des besonderen einkommens, auf das jemand anspruch zu haben glaubt. Die erste art von absicherung ist in unserer wohlstandsgesellschaft unzweifelhaft möglich und sinnvoll; das problem dabei ist die höhe der absicherung (bei wahrung der internationalen freizügigkeit [armutsmigration]). Prinzipiell steht die gewährleistung größerer sicherheit nicht im widerspruch zu der individuellen freiheit. Eine besondere frage ist die des umganges mit arbeitslosigkeit. Hier ist zu beachten, dass die sicherung eines unveränderlichen einkommens nur um den preis der unfreiheit in der berufswahl zu haben ist. Tatsächlich wird diese sicherheit nicht allgemein angestrebt, sondern immer nur von fall zu fall gewährt [zBsp staatliches eingreifen bei drohender insolvenz eines großbetriebes], was ungerecht ist und demnach durch eine bloße existenzsicherung ersetzt werden muss.

Planwirtschaft ist die anwendung der ingenieurtechnik auf die ganze nation. Entweder hat das individuum entscheidung und risiko, oder aber beides ist ihm abgenommen. Es gibt entsprechend den "kommerziellen" und den "militärischen" gesellschaftstypus - "die sicherheit der kaserne". Das problem beim militärischen typus ist: diejenigen, die bereit sind, ihre freiheit gegen sicherheit einzutauschen, verlangen immer auch dasselbe von den anderen, die aber ihre freiheit behalten wollen.
"Es ist unwahrscheinlich, dass in einer Gesellschaft, die die Freiheit gewöhnt ist, viele Menschen bereit sein würden, die Sicherheit bewusst um diesen Preis zu erkaufen."
[Anmerkung: Ist Gleichheit wichtiger als Freiheit? Nach einer Allensbach-Studie glauben das 51% der Ostdeutschen immer noch, nur 36% würden im `Zweifel' die Freiheit wählen, was 50% der Bundesbürger insgesamt täten; doch ganze 40% sind eindeutig für den Vorrang von Gleichheit vor Freiheit. Das Land, in dem man gerne leben würde ist für 49% der Wessis und 70% der Ossis eines mit garantierter sozialer Sicherheit. Nur 29% West und 23% Ost können mit einem Staat etwas anfangen, der auf Regulierungen und Zwänge weitgehend verzichtet, in dem man `sein Leben selbst in die Hand nehmen kann'. `brand eins' Wirtschaftsmagazin, Ausgabe 01/2005 (mit Schwerpunkt `Freiheit')]
Protektionismus im bereich der arbeitsplätze führt zu restriktionismus, betroffene [arbeitslose] können nirgendwohin auswandern, es droht also massenarbeitslosigkeit: das STREBEN NACH SICHERHEIT erhöht also letztlich arbeitslosigkeit und unsicherheit für große teile der bevölkerung.
Zwei klassen also auch hier: (geschützte) arbeit habende versus arbeitslose (von der sicherheit ausgeschlossene). Nicht mehr die unabhängigkeit verleiht rang und ansehen, sondern die sicherheit, mehr die pensionsberechtigung als das vertrauen in die tüchtigkeit eines jungen mannes machen ihn begehrenswert als ehegatten [cf. Robert Bly zur unerreichbarkeit der vaterrolle in der armut]. In Deutschland war stets ein größerer teil des volkes im hinblick auf den krieg organisiert als in anderen ländern, doch war die gesellschaft auch sonst mehr militärisch organisiert als andere, ein großer teil der bevölkerung sah sich als beamtet, nicht selbständig; das land selbst rühmte sich als beamtenstaat. Benjamin Franklin fasst die frage der sicherung so: "Diejenigen, die wesentliche Freiheiten aufgeben, um ein wenig Sicherheit für den Augenblick zu erkaufen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit."
[Anmerkung: Prof. Dr. Ludwig Erhard (Wirtschaftsminister und Bundeskanzler): Ich bin in der letzten Zeit allenthalben erschrocken, wie übermächtig der Ruf nach kollektiver Sicherheit im sozialen Bereich erschallte ... Hier liegt ein wahrlich tragischer Irrtum vor, denn man will offenbar nicht erkennen, dass wirtschaftlicher Fortschritt und leistungsmäßig fundierter Wohlstand mit einem System kollektiver Sicherheit unvereinbar sind.
Wohlstand für alle, Anaconda Verlag GmbH Köln 2009, p286f (Erstausgabe 1957)]

Die sozialisten schreckten vor der zur realisierung ihrer ziele notwendigen gewaltanwendung zurück, warteten auf das wunder der majorität. Andere jedoch hatten begriffen, dass in einer geplanten gesellschaft lediglich eine genügend starke einzelgruppe notwendig ist. Diese wird ziemlich sicher eher von den schlechtesten als von den besten der gesellschaft gebildet, denn je gebildeter, desto differenzierter die weltsicht und damit eine "rangordnung" der werte schwieriger. Der bodensatz der gesellschaft wird vermehrt durch die indoktrination der leichtgläubigen ohne starke eigene überzeugung.
Eine einigung auf negatives wie zBsp den hass gegen einen feind oder den neid [cf. hierzu Alexander Mitscherlich] auf bessergestellte scheint stets einfacher als einigung auf positive aufgaben [das Jesus-prinzip: anstatt dem lebbaren vorbild nachzustreben töten wir lieber das vorbild]. So ist der judenhass in Deutschland eine folge des kapitalistenhasses.
Der Kollektivismus ist stets partikularismus einer bestimmten klasse, rasse, nation. (cf. Exkurs sozialwesen der ns-diktatur). Der partikularismus ist begründet vor allem in der durch eine gruppe gewährten sicherheit für ein schwaches individuum: um teil der gruppe sein zu können, werden die eigenen aggressiven instinkte innerhalb der gruppe unterdrückt und im durch die gruppe bedingten überlegenheitsgefühl gegen gruppenfremde ausgelebt. Die meisten planwirtschaftler sind "wilde nationalisten".
Das moralsystem der kollektivistischen gesellschaft unterscheidet sich fundamental von dem einer freiheitlichen darin, dass es dem einzelnen nicht mehr die freiheit lässt, dem eigenen gewissen zu folgen. Der satz `der zweck heiligt die mittel' ist für die individualistische ethik die negierung jeder moral, wogegen sie in der kollektivistischen ethik zur obersten norm wird - `zum wohle des ganzen' (natürlich). Der einzelne ist der person des führers mit leib und seele ergeben, muss völlig prinzipienlos und jeder handlung fähig sein [was den einzelnen vermeintlich jeglicher verantwortung enthebt, da ja nur der pflicht, dem auftrag des kollektives nachkommend]. Befriedigt werden nur die machtinstinkte, das vergnügen, zu befehlen.
Ein system funktioniert umso besser, je mehr menschen an die ziele glauben. Dies führt zur anwendung von propaganda, nicht vielfältig [werbung], sondern totalitär auf eine bestimmte wirkung abgestimmt. Damit wird jegliche moral vernichtet, da die wahrheit missachtet wird. Da ein in sich geschlossenes moralsystem in der praxis nicht widerspruchsfrei definiert werden kann, wird die schaffung eines (neuen) mythos nötig. Dabei ist die beste methode zur indoktrination, zu behaupten, das was die besten schon immer gesagt haben, sei bisher nur falsch verstanden worden - alte worte werden mit neuem inhalt gefüllt. Platons "edle Lügen" dienen dem gleichen zweck wie die rassenlehre der nationalsozialisten oder wie die theorie des kooperationsstaates Mussolinis. [Und der kirchlichen verfälschung der lehren Jesu] Selbst mathematik und physik sind dem parteiinteresse unterzuordnen. "Die Wissenschaft und die Kunst um der Kunst willen sind bei den Nationalsozialisten in gleichem Maße verrufen wie bei den Kommunisten und unseren sozialistischen Intellektuellen." .... "Es ist die Tragödie des kollektivistischen Denkens, dass es darauf ausgeht, die Vernunft allbeherrschend zu machen, aber damit endet, sie zu vernichten, weil es den Prozess missversteht, von dem das Wachstum des Vernunftwissens abhängt." .... "Der Individualismus ist daher eine Haltung der Demut angesichts dieses sozialen Prozesses und der Duldsamkeit gegenüber anderen Meinungen." Die generation vor dem dritten reich stand nicht im gegensatz zum sozialistischen sondern zum liberalen gehalt des marxismus, zu seinem internationalismus und demokratismus, die der verwirklichung des sozialismus im wege standen. Damit näherten sich die sozialisten den rechten in einem zusammenschluss der antikapitalistischen und antiliberalen kräfte.
"Solange der theoretische Sozialismus marxistischer Prägung die deutsche Arbeiterbewegung dirigierte, trat das autoritäre und nationalistische Element für einige Zeit in den Hintergrund. Aber nicht für lange." Johann Plenge, professor, Marx-kenner, in `1789 und 1914. Die symbolischen Jahre der Geschichte des politischen Geistes', Berlin, 1916, stellt das ideal der freiheit von 1789 dem ideal der organisation von 1914 gegenüber. "In der Organisation erblickt er, wie alle Sozialisten, deren Sozialismus auf der groben Anwendung wissenschaftlicher Ideale auf die Probleme der Gesellschaft beruht, das Wesen des Sozialismus. Hier lag, wie er mit Recht betont, die Wurzel der sozialistischen Bewegung in ihren Anfängen in Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Marx und der Marxismus haben diesen Grundgedanken des Sozialismus durch ihr fanatisches, aber utopisches Festhalten an der abstrakten Idee der Freiheit verraten." Plenge sieht die 1914 in der kriegshysterie geschaffene kriegswirtschaft als "die erste wirklich gewordene „sozialistische“ Gesellschaft".
Bereits von sozialistischen denkern wird die fähigkeit, zu organisieren der "deutschen Rasse" zugewiesen. [Der ultrarechte geschichtsphilosoph] Oswald Spengler schreibt 1920 (Preußentum und Sozialismus, München): “Altpreußischer Geist und sozialistische Gesinnung, die sich heute mit dem Hasse von Brüdern hassen, sind ein und dasselbe.”
“Für Spengler waren Männer wie Hardenberg [Karl August Reichsfreiherr, ab 1810 als Staatskanzler Leiter der preußischen Politik, Ziele: Beseitigung feudaler Privilegien, Bauernbefreiung, 1810 Gewerbefreiheit ein, 1812 Judenemanzipation] und Humboldt [Wilhelm Freiherr von, u.a. 1809 unter Freiherr vom und zum Stein Leiter des Kultus- und Unterrichtswesens in Preußen] und alle anderen liberalen Reformer ‘englisch’.” "Der Kampf gegen den Liberalismus in allen seinen Formen, den Liberalismus, der Deutschland besiegt hatte, war die gemeinsame Idee, die Sozialisten und Konservative in einer einzigen Front vereinigte."
Viele britische autoren haben das denken der deutschen aus dem 19. und 20. jahrhundert übernommen. Viele eigenheiten, ehemals als "typisch deutsch" angesehen, sind nun im UK alltäglich. Wissenschaftler sind leicht von totalitären ideen infizierbar. Gefahr geht von der gemeinsamen unterstützung des organisierten kapitales als auch der organisierten arbeiterschaft für die monopolisierung der wirtschaft aus, die in den totalitarismus führen wird. "Die Entscheidungen, die die Leiter solch einer organisierten Industrie ständig zu treffen hätten, sind solche, die keine Gesellschaft Privatleuten auf die Dauer zugestehen würde." "Das jüngste Anwachsen des Monopolismus ist weitgehend auf die bewusste Zusammenarbeit des organisierten Kapitals und der organisierten Arbeiterschaft zurückzuführen, durch die die privilegierten arbeitergruppen an den Monopolgewinnen auf Kosten der Allgemeinheit und besonders der Ärmsten teilnehmen, nämlich auf Kosten der in den weniger gut organisierten Industrien Beschäftigten und auf Kosten der Arbeitslosen." [Siehe auch das zitat ganz oben]
In unserer generation [Hayek's] herrscht "Ökonophobie", das "Ende des Wirtschaftsdenkens" wird beschworen, es herrscht entschlossenheit, sich keiner norm zu unterwerfen, deren logischer grund nicht eingesehen wird. Vor allem in fragen der moral, und hier ist diese haltung oft lobenswert, doch gibt es andere gebiete, auf denen die verweigerung, sich unverstandenen dingen zu unterwerfen zur vernichtung unserer kultur führen muss. Es ist unmöglich, die komplexe realität als ganze zu verstehen, auch in der planwirtschaft ist dem so. Die gesellschaft lässt sich nicht in derselben weise beherrschen, wie die natur [cf Positivismus].
In friedenszeiten darf die freiheit nicht durch unterordnung unter einen "Alleinzweck" beschränkt werden, auch nicht unter den der "Vollbeschäftigung". Eine daran ausgerichtete politik wird die produktivität der arbeit senken. "Es klingt sehr hochgemut, wenn man sagt „Zum Teufel mit der Wirtschaft, bauen wir uns eine anständige Welt!“ - in Wirklichkeit aber ist es nur Mangel an Verantwortungssinn. Wie die Dinge heute nun einmal liegen, wo sich alle darin einig sind, dass die materiellen Bedingungen da und dort verbessert werden müssen, besteht die einzige Aussicht auf eine anständige Welt darin, dass wir in Zukunft imstande sind, das wirtschaftliche Durchschnittsniveau zu heben. Das einzige, was die moderne Demokratie nicht überleben wird, ist die Notwendigkeit einer wesentlichen Senkung des Lebensstandards im Frieden oder auch nur ein lang anhaltender Stillstand des wirtschaftlichen Fortschritts.
"Im Vergleich zu den meisten anderen Völkern waren noch vor zwanzig Jahren fast alle Engländer Liberale - wie sehr sie auch vom Parteiliberalismus abweichen mochten." [Siehe auch die zitate aus seite 184 unterhalb des titels]
Solange jedes land beliebige maßnahmen ergreifen kann, gleich wie schädlich für andere, kann es keine internationale ordnung oder dauernden frieden geben. Wenn an stelle der beziehungen von individuen diejenigen von staaten treten, welche die produktivkräfte als nationales eigentum ansehen, führt dies zu reibung und neid. Planwirtschaft mag funktionieren innerhalb einer familie oder gar eines dorfes, doch nicht e.g. in Westeuropa, selbst wenn die herrschende macht selbstlos wäre und nicht eine "Herrenrasse" wie Deutschland unter Hitler. Auch die erfahrungen mit der kolonialpolitik zeigen, dass "helfen" um den preis des aufzwängens von wertmaßstäben und idealen erfolgt. In einer "Weltplanwirtschaft" würden zweifellos die reicheren länder von den ärmeren mehr gehasst als in einer freien wirtschaft. Wer will die entscheidungen fällen, wessen bedürftigkeit größer, wessen arbeit mehr wert ist etc? "Wir brauchen eine internationale politische Instanz, die zwar nicht die Macht hat, den Völkern zu befehlen, was sie tun sollen, aber imstande sein muss, sie von Handlungen zurückzuhalten, die anderen schaden." .... "Der Föderalismus ist natürlich nichts anderes als die Anwendung des demokratischen Prinzips auf die internationalen Beziehungen, die einzige bis jetzt gefundene Methode für friedliche internationale Veränderungen." .... "Nirgends hat die Demokratie funktioniert ohne ein hohes Maß von lokaler Selbstverwaltung ...."
.... “Weder ein allmächtiger Superstaat noch eine lose Vereinigung von >>freien Nationen<< muss unser Ziel sein, sondern eine Gemeinschaft von Nationen freier Menschen.” .... “Der leitende Grundsatz, dass eine Politik der Freiheit für den Einzelnen die einzige echte Politik des Fortschritts ist, bleibt heute so wahr, wie er es im 19. Jahrhundert gewesen ist.”


[Anmerkung zu Platons "edlen Lügen":
Hayek bezieht sich auf den Passus: "Und das glauben wir doch, dass für Körper, die keiner Arzneien bedürfen, sondern nur einer guten Lebensordnung willig zu folgen, alsdann auch wohl ein schlechter Arzt hinreichen könne, wenn aber Arzneien angewendet werden müssen, dann, wissen wir, bedarf es eines tüchtigen Arztes. - Richtig. Aber weshalb sagst du das? - Deshalb, sprach ich: Es scheint, dass unsere Herrscher allerlei Täuschungen und Betrug werden anwenden müssen zum Nutzen der Beherrschten. Und wir sagten ja, alles dergleichen sei nur nach Art der Arzenei nützlich." (Platon, Politeia, 459c)
Platon geht von dem Gedanken aus, niemand tue freiwillig Unrecht (sondern aus Unwissenheit) (Gorgias, 474b, 475e). Rechtspflege dient der Befreiung von Ungerechtigkeit (Gorgias, 478a). Natürliches Recht steht über positivem Recht (Gorgias, 469cff). Menschen, Götter, Himmel und Erde bleiben nur durch Gemeinschaft bestehen, weshalb die Weisen die Welt als Ganzes und Geordnetes sehen, nicht als Chaos und Verwirrtheit (Gorgias, 508a). Besserung des Bürgers ist das Ziel des Staatsmannes (Gorgias, 513c) was eine angemessene Erziehung impliziert. Diese wird dargestellt im “Höhlengleichnis” (Politeia, 514aff) mit der Folgerung, dass Erziehung nur als Um-Bildung der ganzen Seele möglich ist (Politeia, 518bff). “.... die Idee des Guten .... für alle die Ursache alles Richtigen und Schönen ist, im Sichtbaren das Licht und die Sonne ... erzeugend, im Erkennbaren aber sie allein als Herrscherin Wahrheit und Vernunft hervorbringend, und dass also diese sehen muss, wer vernünftig handeln will, es sei nun in eigenen oder in öffentlichen Angelegenheiten.” (Politeia, 517c, cf auch “Sonnengleichnis” 508aff).
Platon fordert die Personalunion von Philosoph und König: “Kennst du nun, sprach ich, eine andere Lebensweise, welche aus der bürgerlichen Gewalt wenig macht, als die der echten Philosophie?” (Politeia, 517c) “Wenn nicht, sprach ich, entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt so genannten Könige und Gewalthaber wahrhaft und gründlich philosophieren und also dieses beides zusammenfällt, die Staatsgewalt und die Philosophie, die vielerlei Naturen aber, die jetzt zu jedem von beiden einzelnen hinzunahen, durch eine Notwendigkeit ausgeschlossen werden, eher gibt es keine Erholung von dem Übel für die Staaten, lieber Glaukon, und ich denke auch nicht für das menschliche Geschlecht, noch kann jemals zuvor diese Staatsverfassung nach Möglichkeit gedeihen und das Licht der Sonne sehen, die wir jetzt beschrieben haben.” (Politeia, 473cf). (cf
Hegel - Systemprogramm)
Platons Staatstheorie sieht den Untergang der Oligarchie durch ein sich Verschlucken an der Geld-/Machtgier unausweichlich bedingt; sie wird zu einer Demokratie, allerdings kollektivistischer Ausprägung mit gemeinsamem Eigentum (Politeia, 557a, 464aff). Die Demokratie ist bedroht durch die Klasse der die Freiheit Missbrauchenden (geldgierigen Oligarchen) (Politeia, 564d). Das Volk steht auf und sucht sich einen starken Mann als Führer. Hieraus entsteht die Tyrannei (Politeia, 565cff). Der Tyrann muss zur Erhaltung seiner Macht die Guten beseitigen und Kriege führen, um dem Volk die Kraft zum Widerstand zu rauben (Politeia, 566dff) [der Beispiele hierzu gibt es zur Genüge, nicht nur 1933 und 2001]. “Und dies wäre nun, wie es scheint, die ganz eingestandene Tyrannei; und das Volk, wie man zu sagen pflegt, wäre, weil es schon dem Rauch der Knechtschaft, wie sie unter Freien ist, entgehen wollte, in die Flamme einer von Knechten ausgeübten Zwingherrschaft hineingestürzt und hätte statt jener übergroßen und unzeitigen Freiheit die unerträglichste und bitterste Knechtschaft angezogen.” (Politeia, 569b-c)]
Zum Verständnis der Politeia (“der Staat”) ist zu beachten, dass sie eine dialektische Abhandlung der Frage ist, ob Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit besser sei (cf auch das Glück des Rechtschaffenen in Gorgias, 470e). Sokrates/Platon wählt den Staat als Beispiel, da er in dessen Größe und Komplexität seinen Kerngedanken besser (stärker) verdeutlichen kann (Politeia, 369a); somit wird der im (einzelnen) Menschen sich vollziehende Bildungsprozess (hin zu Weisheit und Glückseligkeit) auf der Bühne des Staates (Stadt, Polis) aufgeführt. Der von ihm entwickelte Staat wird von Platon als nicht verwirklichbares Idealbild (bildliche Entwicklung / Entfaltung seiner Ideale (gemäß ihrer inneren Logik), insbesondere Sonne der Gerechtigkeit und Erziehung zur Weisheit) angesehen (473af). Der “Idealstaat” ist ein Gegenentwurf zu dem Scheitern aller anderen Verfassungen (Buch VIII, 543aff). Seine totalitäre Ausprägung setzt harmonische Zustände voraus, dem Geiste einer weisen Person entsprechend, jeder Teil des Ganzen nimmt den ihm zustehenden, nicht “gleichen”, Platz ein/an etc (Buch V - VII).

Siehe aber dringend auch
hier Hannah Arendts Interpretation Platons als Versuch, das Handeln freier politischer Individuen durch das Herstellen von Gewalt zu ersetzen


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              mehr zu Platon





[Exkurs über die Sozialpolitik der NS-Diktatur:
    Aus der Serie `Der Zweite Weltkrieg', Der Spiegel 10/2005.
    Teil VI: Die Raubgemeinschaft - Wie die Nazis das deutsche Volk bei Laune hielten.
    Die Wohlfühl-Diktatur. Von Götz Aly.
NOTE: Ausführlicher zum Thema siehe unten
Götz Aly
... die NS-Herrschaft als Gefälligkeitsdiktatur ... Zu den Begünstigten zählten 95 Prozent der Deutschen. Sie empfanden den Nationalsozialismus nicht als System der Unfreiheit und des Terrors, sondern als Regime der sozialen Wärme, als eine Art Wohlfühl-Diktatur. ...
Exemplarisch für das nach innen gerichtete völkische Gleichheitsversprechen standen die Napolas, die ... Nationalpolitischen Erziehungsanstalten, und die ganz ähnlichen Adolf-Hitler-Schulen. ...
Parallel dazu schuf die NS-Regierung eine für die meisten Deutschen angenehme kriegssozialistische Umverteilungsgemeinschaft. Die materiellen Mittel dafür bezog sie aus zwei Quellen: Zum einen wurde den wohlhabenden Deutschen genommen und den wenig oder nur durchschnittlich bemittelten gegeben; zum anderen, und das in höherem Maß, flossen die Gelder von beraubten "Fremdstämmigen" - den enteigneten Juden Europas, den Zwangsarbeitern, den Angehörigen unterworfener Völker - zu den gehätschelten Volksgenossen. ...
Die nach dem November-Pogrom von 1938 verfügte sogenannte Judenbuße von einer Milliarde Reichsmark erhöhte die Staatseinnahmen um mehr als sechs Prozent. Zusammen mit den Erträgen aus der Reichsfluchtsteuer und den staatlichen Arisierungserlösen machte sie im Reichshaushalt 1938/39 rund zehn Prozent des Gesamtaufkommens an Steuern und Abgaben aus. Warum die willkürliche Zwangsabgabe zu Lasten einer kleinen, insgesamt keinesfalls besonders wohlhabenden Bevölkerungsgruppe genau zu diesem Zeitpunkt verhängt wurde, erschließt sich aus dem offiziellen Jahresrückblick des Finanzministeriums für 1938. Ausgerechnet für den Monat November heißt es dort: "Dass das Reich zahlungsunfähig wurde, stand unmittelbar bevor." ... Der SD notierte: Anders als das Pogrom selbst hätten die "Sühnegesetze in der Bevölkerung überall Anklang gefunden". ...
Für die durchschnittlichen Steuerzahler wurden [im Krieg] lediglich Bier und Zigaretten teurer. ... Mit den Reichen und den Unternehmen ging die Regierung Hitler weit weniger zartfühlend um. So stieg die Körperschaftsteuer bis auf 55 Prozent. Hinzu kamen die ab 1941 wirksame Gewinnabführung und der Einkommensteuerzuschlag, der die Normalsteuer der Besserverdienenden seit September 1939 um 50 Prozent erhöhte. ...
Wer die Massen aber auf derart populistische Weise schonte, der musste einen hauptsächlich auf Raub angelegten Krieg führen ... Zwischen August 1941 und dem 31. Januar 1942 starben zwei Millionen sowjetische Kriegsgefangene in den Lagern der Wehrmacht, vor allem an den Folgen der katastrophalen Versorgung. Im Casino in Riga unterhielten sich Wehrmachtoffiziere über ihren "Auftrag, die russischen Kriegsgefangenen verhungern und erfrieren zu lassen".
Der Zweck dieses Hungermordens bestand darin, die deutsche Wehrmacht komplett "aus dem Lande zu ernähren" und zudem Lebensmittel ins Reich zu transportieren, um deutsche Mütter, Kinder und Alte, kurz die Heimatfront, bei Laune zu halten. ...
Schon vor dem Krieg gegen die Sowjetunion war im Mai 1941 auf höchster Ebene erörtert worden, welche Konsequenzen der beabsichtigte Lebensmittelraubzug haben sollte: "Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird." Lässt man die Zerstörungen und die massiven Ertragsrückgänge außer Acht, die der Angriffskrieg bewirkte, dann raubten die Deutschen nach den geheimen Angaben des Statistischen Reichsamts in den Agrarjahren 1941/42 und 1942/43 den Grundbedarf für 21 Millionen Menschen aus den besetzten Teilen der Sowjetunion. ...
Im Sommer 1942 stand die NS-Führung innenpolitisch vor dem Abgrund. Die Reichsgetreidereserve ... hatte ... den tiefsten Punkt in der gesamten Kriegszeit erreicht. Die auskömmliche, die Stimmung erhaltende Ernährung der deutschen Zivilbevölkerung konnte kaum mehr gewährleistet werden. ...

Hitler erreichte die Mehrheitsfähigkeit seiner Politik und seiner Kriegszüge im Wesentlichen nicht mit den Mitteln des politischen Fanatismus, sondern mit den bis in die Gegenwart geschätzten und gut bekannten Techniken des Sozialstaats. "Innerhalb des deutschen Volkes", so formulierte er das Leitmotiv des nationalen Sozialismus, "höchste Volksgemeinschaft und Möglichkeit der Bildung für jedermann, nach außen aber absoluter Herrenstandpunkt!"
Materieller Ausgleich und soziale Aufwärtsmobilisierung im Inneren, kollektiver und schnell spürbarer Wohlstand für das Herrenvolk auf Kosten so genannter Minderwertiger, so lautete die wenig komplizierte, in Deutschland populäre Zauberformel des NS-Staats.
Sie erklärt zwanglos, warum sich nach 1945 die meisten Deutschen noch lange mit positiven Gefühlen an die NS-Zeit erinnerten, aber die Verbrechen nicht in das lebensgeschichtliche Selbstbild integrieren konnten ...
Der Nationalsozialismus bezog seine verführerische Kraft nicht aus der speziellen Nähe zum großen Geld, sondern aus der insgesamt sozialstaatlich ausgelegten Kombination von Rassen- und Klassenpolitik. Mit materieller Umverteilung verbunden, senkte die NS-Führung die Klassengrenzen im Inneren - während sie die Rassen- und Nationalitätengrenzen nach außen erhöhte und gleichzeitig für räuberische Zwecke durchbrach. In dieser Mixtur vereinigten sich die Ideen nationaler und sozialer Homogenisierung. Die beiden im 19. Jahrhundert entwickelten, historisch oft als Gegensatz ausgeprägten Varianten des Gleichheitsgedankens gingen in Deutschland eine virulente, mehrheitsfähige, in den Konsequenzen völkermörderische Verbindung ein ...

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Die rassistischen Wurzeln des Neokonservatismus

Besser selbst nicht krankenversichert sein, als dass der Schwarze es ist - von der Bedeutung der öffentlichen Gesundheitsvorsorge für die USA

Minimalisierung des Staates und Maximalisierung der Ungleichheit in den USA während der neokonservativen Episode

[Der amerikanische Neoliberalismus 2]

Aus       Paul Krugman
      (Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2008)
Nach Bush - Das Ende der Neokonservativen und die Stunde der Demokraten
(New York, 2007; Bonn, 2008)
[Kommentare und Ergäzungen von men-kau-ra: so, lange Kommentare auch so]

Das Rassenproblem .... liegt dem zugrunde, was mit dem Land passiert, in dem ich aufgewachsen bin. Die Hinterlassenschaft der Sklaverei, der Erbsünde Amerikas, ist der Grund, warum wir die einzige hoch entwickelte Volkswirtschaft sind, die ihren Bürgern keine medizinische Versorgung garantiert. (p18)

Die von ihnen [Claudia Goldin u Robert Mango] bewusst gewählte Wendung ["die Große Kompression"], die an "die Große Depression", die Weltwirtschaftskrise erinnert, ist angebracht: Genau wie die Krise war die Verringerung der Einkommensunterschiede [zwischen den zwanziger und den fünfziger Jahren] ein bestimmendes Ereignis der amerikanischen Geschichte, etwas, wodurch das Wesen unserer Gesellschaft und Politik verändert wurde. (p46)

Nach dem Angriff auf Pearl Harbor verging jedoch nur ein guter Monat, bis Roosevelt das National War Labor Board (NWLB) wieder ins Leben rief, diesmal mit größeren Befugnissen. (p62)

Wie Goldin und Margo sagen: "Die meisten der vom NWLB angewandten Kriterien für Lohnerhöhungen dienten der Angleichung der Löhne zwischen und innerhalb von Branchen." Die US-Regierung nutzte also in der kurzen Zeit, in der sie die Löhne vieler Arbeitnehmer mehr oder weniger direkt bestimmen konnte, diese Vollmacht dazu, Amerika zu einer gleicheren Gesellschaft zu machen. Und das Erstaunliche ist, dass diese Veränderungen blieben. (p63)

Tatsache ist aber, dass von den üblen Folgen, die man bei einer drastischen Angleichung der Einkommen hätte erwarten können, nach dem zweiten Weltkrieg nicht eine einzige eintrat, ganz im Gegenteil. Der Großen Kompression gelang es, die Einkommen über mehr als 30 Jahre anzugleichen - eine lange Zeit. Zudem war die Ära der Gleichheit eine Zeit beispiellosen Wohlstands, den wir seither nicht mehr haben wiederholen können. (p64)

Aber auf die Große Kompression folgte der stärkste anhaltende Wirtschaftsaufschwung der amerikanischen Geschichte. Überdies bewies die Regierung Roosevelt, dass eines der gängigen Argumente gegen umfassende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft - dass sie unvermeidlich eine nicht minder umfassende Korruption mit sich bringen würde - nicht zutraf. (p72)

Und die obsessive Beschäftigung mit dem Sexualleben anderer Leute war ein beständiger Faktor der Konservativen Bewegung, eine wesentliche Quelle der, äh, Leidenschaft der Bewegung. (p109)

Die Entstehung des Neokonservatismus lässt sich weitgehend auf zwei Gruppen zurückführen: die Chicagoer Ökonomen unter Milton Friedman, der die Zurückdrängung der keynesianischen Wirtschaftstheorie anführte, und eine Gruppe von Soziologen, die, angeführt von Irving Kristol und mit der Zeitschrift The Public Interest verbunden, gegen Johnsons Pläne einer Great Society rebellierten. ....
Anfang der sechziger Jahre hatte Friedman eine nahezu komplette Kehrtwendung zum Marktwirtschaftlichen Fundamentalismus vollzogen und behauptete, selbst die Weltwirtschaftskrise sei nicht durch Marktversagen, sondern durch staatliches Versagen ausgelöst worden. Sein Argument war zweifelhaft und grenzte, wie ich behaupten möchte, an intellektuelle Unredlichkeit. Doch allein die Tatsache, dass ein großer Ökonom sich genötigt sah, zu einem intellektuellen Taschenspielertrick zu greifen, zeigt schon, wie verlockend der marktwirtschaftliche Fundamentalismus ist. (p129f)

Die Doktrin der Angebotsorientierung, die ohne Beweise behauptete, dass Steuersenkungen sich bezahlt machen, hat in der Welt der professionellen Wirtschaftforschung nie Anklang gefunden, nicht einmal bei Konservativen. N. Gregory Mankiew, der Harward-Ökonom, der von 2003 bis 2005 Vorsitzender von Bushs Rat der Wirtschaftsberater war, hat die Vertreter der Supply-Side-Ökonomie in der ersten Auflage seines Lehrbuchs über die Grundlagen der Wirtschaftspolitik bekanntlich als "Spinner und Scharlatane" bezeichnet (In späteren Auflagen wurde diese Passage getilgt.) (p133)

[Import arbeitsintensiver und Export technisch anspruchsvoller Güter führen zu einer Verstärkung des Lohngefälles] (p150)

Dieses Muster beziehungsweise diese Entwicklung der Ungleichheit ist ein weiterer indirekter Beweis dafür, dass marktfremde Mechanismen wie etwa Arbeitmarktinstitutionen und soziale Normen bezüglich der Ungleichheit an der Bestimmung der Vergütung beteiligt sein könnten. (Zitat Piketty und Saez) (p152)

Die starke Spreizung der Einkommen seit den siebziger Jahren ist mit anderen Worten nichts anderes als die Umkehrung der Großen Kompression. In den dreißiger und vierziger Jahren wurden Institutionen geschaffen, und Normen aufgestellt, welche die Ungleichheit begrenzten; seit den siebziger Jahren wurden diese Institutionen und Normen geschleift, mit dem Ergebnis wachsender Ungleichheit. Der Institutionen-und-Normen-Ansatz fasst den Aufstieg und Niedergang Mittelschicht-Amerikas zu einer einzigen Geschichte zusammen. (p155)

... kann man exorbitante Spitzengehälter als ein nicht so sehr im engen Sinne wirtschaftliches, sondern als ein soziales und politisches Phänomen auffassen: Die hohen Einkommen sind nicht aufgrund einer gestiegenen Nachfrage nach Talenten in die Höhe geschossen, sondern weil die Empörung durch verschiedene Faktoren abgetötet wurde. (p161)

Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre wurde mindestens jeder 20. Arbeitnehmer, der für eine Gewerkschaft stimmte, illegal gefeuert, und es gibt Schätzungen, wonach es sogar jeder achte war. (p167)

Der Unterschied zwischen den Parteien ist also keine Einbildung. Republikaner senken Steuern für die Reichen und versuchen, staatliche Sozialleistungen zu kürzen und den Wohlfahrtsstaat zu untergraben. Demokraten erhöhen die Steuern für die Reichen und versuchen, staatliche Sozialleistungen auszubauen und den Wohlfahrtsstaat zu stärken. (p175)

Aber nach Reagan wurde die Republikanische Partei durchgreifend radikalisiert. Schauen wir in die Programmerklärung der Republikanischen Partei von Texas im Jahre 2004, die einen Eindruck davon vermittelt, was die treuen Parteianhänger wirklich denken; nationale Programmerklärungen müssen zumindest den Anschein von Mäßigung erwecken, aber in Texas können Republikaner noch Republikaner sein. Darin wird die Abschaffung von Bundesämtern gefordert, " inklusive, aber nicht beschränkt auf die Behörde für Alkohol, Tabak und Schusswaffen; die Stelle des Leiters der Bundesgesundheitsbehörde; das Bundesamt für Umweltschutz; das Energieministerium, das Ministerium für Wohnungsbau und Städteplanung, das Gesundheitsministerium, das Bildungsministerium, das Handels- und das Arbeitsministerium". Das Programm fordert ferner die Privatisierung der Sozialversicherung und die Abschaffung des Mindestlohns. Faktisch wollen die Republikaner von Texas den New Deal komplett aufheben. (p178)
Die Entwicklung der republikanischen Bevölkerungshälfte hinweg vom erhellenden Licht der Sterne setzt sich ungebremst fort. Der Londoner "Economist" scheibt am 31dec2011 unter dem Titel "The right Republican":
Nowadays, a candidate must believe not just some but all of the following things: that abortion should be illegal in all cases; that gay marriage must be banned even in states that want it; that the 12m illegal immigrants, even those who have lived in America for decades, must all be sent home; that the 46m people who lack health insurance have only themselves to blame; that global warming is a conspiracy; that any form of gun control is unconstitutional; that any form of tax increase must be vetoed, even if the increase is only the cancelling of an expensive and market-distorting perk; that Israel can do no wrong and the "so-called Palestinians", to use Mr Gingrich's term, can do no right; that the Environmental Protection Agency, the Department of Education and others whose names you do not have to remember [Fernsehauftritt Rick Perry] should be abolished.
These fatwas explain the rum list of candidates: you either have to be an unelectable extremist who genuinely believes all this, or a dissembler prepared to tie yourself in ever more elaborate knots (the flexible Mr Romney). Several promisingly pragmatic governors, including Mitch Daniels, Chris Christie and Jeb Bush, never even sought the nomination. Jon Huntsman, the closest thing to a moderate in the race (who supports gay marriage and action to combat climate change), is polling in low single figures.
More depressingly, the fatwas have stifled ideas, making the Republican Party the enemy of creative positions it once pioneered. The idea of requiring every American to carry health insurance (thus broadening the insurance pool and reducing costs) originated in the conservative Heritage Foundation as a response to Clinton-care, and was put into practice by then-Governor Romney in Massachusetts. All this Mr Romney has had to disavow, just as Mr Gingrich has had to recant his ideas on climate change, while Rick Perry is still explaining his appalling laxity as governor of Texas in allowing the children of illegal immigrants to receive subsidised college education.
On the economy, where this newspaper has often found the most common ground with the Republicans, the impact has been especially unfortunate. .... Investing in infrastructure, redesigning public education and maintaining unemployment benefits in the worst downturn since the Depression are hardly acts of communism.]


Politisch stehen die Vereinigten Staaten seit langem rechts von anderen hoch entwickelten Ländern. .... (Zitat Alberto Alesina, Edward Glaeser, Bruce Sacerdote von Harvard, "Why Doesn't the US Have a European-Style Welfare State?" National Bureau of Economic Research Arbeitspapier No 8524, Oktober 2001:) Rassenzwietracht bestimmt in entscheidendem Maß die Ansichten über die Armen. Da Minderheiten unter den ärmsten Amerikanern stark überrepräsentiert sind, werden alle einkommensbezogenen Umverteilungsmaßnahmen besonders in Richtung der Minderheiten umverteilen. Im Kampf gegen eine linke Politik haben die Gegner der Umverteilung immer wieder zu rassischer Rhetorik gegriffen. In allen Ländern ist rassische Zersplitterung ein starker Prädiktor für Umverteilung. In den Vereinigten Staaten ist Rasse der wichtigste Prädiktor für Bejahung der Sozialhilfe. Die getrübten Rassenbeziehungen Amerikas sind eindeutig ein wichtiger Grund für das Fehlen eines amerikanischen Wohlfahrtsstaates. (p196)

Je höher der schwarze Anteil an der Bevölkerung eines Staates ist, desto niedriger sind generell die Sozialausgaben pro Kopf. (p197)

Doch für die Erklärung des politischen Erfolgs der Konservativen ist die Religion nicht annähernd so wichtig wie die Rasse. (p211)

Doch trotzdem müssten die Steuersenkungen [durch die Bush administration für die reichen] sehr unpopulär sein, weil 60 Prozent der Bevölkerung Jahreseinkommen von unter 50000 Dollar haben. Nach den Unterlagen des Statistischen Bundesamtes haben aber weniger als 40 Prozent der Wähler Jahreseinkommen von unter 50000 Dollar [da die, meist den unteren Einkommensschichten zugehörigen, Einwanderer vom Wahlrecht ausgeschlossen sind]. Daran mag es liegen, dass man mit Steuersenkungen politisch nicht unbedingt den Kürzeren ziehen muss. (p212)

Wahlbetrug ist eine alte amerikanische Tradition .... Und die konservative Bewegung ist und war seit jeher zutiefst undemokratisch. 1957 pries die National Review Francisco Franco, der die gewählte Regierung Spaniens stürzte und eine Terrorherrschaft errichtete, als einen "Nationalhelden". (p213f)

Die Vereinigten Staaten geben für Gesundheitsversorgung pro Kopf fast doppelt so viel aus wie Kanada, Frankreich und Deutschland und fast zweieinhalb mal so viel wie Großbritannien - aber unsere Lebenserwartung liegt am Ende des Feldes.
Diese Zahlen sind so eindeutig und eine so schlagende Widerlegung der landläufigen Meinung, der private Sektor sei effizienter als der öffentliche, dass manche Politiker, Experten und Ökonomen sie schlicht leugnen. (p239)
[Anmerkung: The Economist, August 29th 2009, p53 " Reds under our meds - Developing new drugs": The new study, written by Donald Light, a visiting professor at Stanford University, claims that European drug firms are more innovative than American ones, in spite of price controls]

[2005 gaben Mittelschichtfamilien weniger für Luxusgüter aus als in den siebziger Jahren] Die steigende Verschuldung beruhte hauptsächlich auf höheren Ausgaben für die Wohnung, die größtenteils durch den Wettbewerb verursacht wurden, in einen guten Schulbezirk zu kommen. Mittelschicht-Amerikaner gerieten nicht deshalb in einen erbarmungslosen Konkurrenzkampf, weil sie gierig oder dumm waren, sondern weil sie ihren Kindern in einer zunehmend ungleichen Gesellschaft eine Chance geben wollten. (p271)

Was die Beschäftigung angeht, so haben David Card aus Berkeley und Alan Krueger aus Princeton, zwei führende amerikanische Arbeitsökomomen, in einer klassischen Studie [erschienen 1994, oftmals angegriffen, nicht widerlegt sondern bestätigt] keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass eine Erhöhung des Mindeslohns in dem Umfang, wie er in den Vereinigten Staaten praktiziert wurde, Arbeitsplatzverluste nach sich gezogen hätte. (p287)

Ich glaube an eine relativ gleiche Gesellschaft, getragen von Institutionen, die Extreme des Reichtums und der Armut begrenzen. Ich glaube an die Demokratie, die bürgerlichen Freiheiten und die Herrschaft des Rechts. Das macht mich zu einem Liberalen, und ich bin stolz darauf (p293)






Wer von den Vorteilen für die Millionen einfacher Deutscher nicht reden will, der sollte vom Nationalsozialismus       und vom Holocaust       schweigen
Die Gefälligkeitsdiktatur

Aus       Götz Aly
Hitlers Volksstaat - Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus
(S. Fischer, Frankfurt/Main, 2005; 3. Auflage des Taschenbuches, mar2015)

NOTE: Eine Kurzfassung zum Thema
siehe oben

Die NSDAP stützte sich auf die Lehre von der Ungleichheit der Rassen und versprach den Deutschen im selben Atemzug mehr Chancengleichheit, als es sie während des Kaiserreichs und noch während der Republik in Deutschland gegeben hatte. In der Praxis geschah das auf Kosten anderer, mit den Mitteln des Raub- und Rassenkrieges. Aus der Innenschau schien sich im Rassenkampf das Ende des Klassenkampfes anzudeuten. So gesehen, propagierte die NSDAP eine der sozial- und nationalrevolutionären Utopien des vergangenen Jahrhunderts. Das machte sie populär. Daraus bezog sie ihre verbrecherischen Energien. Hitler sprach vom “Aufbau des sozialen Volksstaats”, eines “Sozialstaats”, der vorbildlich sein werde und in dem “alle [sozialen] Schranken immer mehr einzureißen” seien. (p11)

Im Jahr 1933 ergriffen Studenten und frisch gebackene Hochschulabsolventen die Macht .... Der Nationalsozialismus kann aus guten Gründen als Jugenddiktatur begriffen werden. Sie entwickelte sich binnen weniger Jahre zu dem im zerstörerischen Sinn erfolgreichsten Generationsprojekt des 20. Jahrhunderts. (p14f)

Von Anfang an förderte der NS-Staat die Familien, stellte Unverheiratete wie Kinderlose schlechter und schützte die Bauern vor den Unwägbarkeiten des Weltmarkts und des Wetters. Die Grundlagen der EU-Agrarordnung, das Ehegattensplitting, die Straßenverkehrsordnung, die obligatorische Haftpflichtversicherung für Autos, das Kindergeld, die Steuerklassen oder auch die Grundlagen des Naturschutzes stammen aus jenen Jahren. .... Konturen des seit 1957 in der Bundesrepublik selbstverständlichen Rentenkonzepts .... (p20)

Die Institutionen des Geistes und selbst des Staates bewahrten sich im Nationalsozialismus ein beachtliches Maß an innerer Pluralität. Vielen Intellektuellen, Beamten oder Ingenieuren schien es so, als würden institutionelle Selbstblockaden gebrochen .... Dies führte zu der eigentümlichen Verbindung von populistischer Stimmungspolitik, intelligenter Intervention und kalkulierten Morden. (p22)

Im Spitzen-Duo des Finanzministeriums zeigt sich eine für den Nationalsozialismus charakteristische Mischung: der glänzend ausgebildete, adelige Minister und der aus kleinen Verhältnissen aufgestiegene Staatssekretär, der sich seine Kenntnisse als politisierter Autodidakt hart erarbeitet hatte. (p25)

Die allermeisten [Bürger] bedurften keiner Überwachung. Nach dem Anfangsterror waren dort [in den Konzentrationslagern] am Jahresende 1936, also nach knapp vier Jahren des Konsolidierens, nur noch 4761 Häftlinge eingesperrt - einschließlich der Alkoholkranken und Kriminellen. (p27)

Sie [die NSDAP] zog Tausende Gebildete an, die ihren Klassendünkel im Dreck des Stellungskriegs gelassen hatten. Sie integrierte sozialistisch geprägte Arbeiter, kleine Handwerker und Angestellte, die sich soziale Anerkennung und bessere Lebenschancen für ihre Kinder erhofften. (p28)

Auch die sozialistische Weltanschauung enthielt ein solches Element [Schutz des Höherwertigen vor dem Ansturm des Minderwertigen], die Lehre vom historisch siegreichen Proletariat und von der Bourgeoisie als nichtswürdiger, sterbender Klasse. Individuell erleichterte das den Übergang von der einen zur anderen politischen Heilslehre, zumal der Nationalsozialismus sich als die offenere, pragmatisch angelegte Ideologie empfahl und sehr unterschiedliche Gruppen der deutschen Gesellschaft anzog. Nachdem Bürgerkrieg und Klassenkampf die Republik ruiniert hatten, lockte die NS-Bewegung mit dem Traum vom Dritten Weg: Ihre Politiker versprachen ausgleichende Gerechtigkeit und den Kampf gegen jede Art von “Zersetzung”, sei sie nun liberal-kapitalistischer oder doktrinär-bolschewistischer Natur. (p32)

Das materiell üppige Sein, der indirekte, nicht persönlich verantwortete, doch gern genommene Vorteil aus den Großverbrechen bestimmte das Bewusstsein der meisten Deutschen von der Fürsorglichkeit des Regimes. Umgekehrt bezog die Politik der Vernichtung daraus ihre Energie: Sie orientierte sich am Volkswohl. Das Ausbleiben eines nennenswerten inneren Widerstands und der Mangel an späterem Schuldbewusstsein erklärt sich aus derselben historischen Konstellation. (p38)

Wirft man einen Blick auf die allgemeine Haushaltslage des Reiches zu Beginn des Jahres 1938, so war das Aufrüsten bis dahin zu einem erheblichen Teil mit Wechseln in Höhe von zwölf Milliarden Reichsmark finanziert worden, die nicht auf den Staat, sondern auf ein fiktives privatrechtliches Unternehmen, die Mefo (Metallurgische Forschungsgesellschaft) lauteten. (p55)

Die “Judenbuße” von einer Milliarde Reichsmark, die die Reichsregierung am 12. November 1938 verhängte, erhöhte die laufenden Reichseinnahmen mit einem Schlag um gut sechs Prozent. (p61)

Im Frühjahr 1939 trat die finanzwirtschaftliche Vorbereitung des Krieges in ein konkretes Stadium. Am 30. Mai standen bereits allerhand Vorschläge zur Diskussion, und das Reichsfinanzministerium versprach, seine Referentenentwürfe innerhalb der nächsten zehn Tage zu überarbeiten und zu bündeln. Für den weiteren Verlauf ist der Vorschlag des Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft, Staatssekretär Posse, von Interesse. Demnach kam es darauf an, “den Gedanken einer Finanzierung der Kriegsausgaben durch Vorgriffe auf künftige, nach dem Krieg zu erwartende Einnahmen des Reiches in die Kriegsfinanzgesetzgebung einzuführen.” In einem beigefügten Papier wurde erläutert, warum die Deckung der Reichsschuld während der Kriegszeit nicht notwendig sei. Das Reichsfinanzministerium schlug vor, einen Wehrbeitrag von 25 Prozent auf die Einkommensteuer sämtlicher natürlicher Personen und auf die Gewinne von Kapitalgesellschaften zu erheben. Das hätte fünf Milliarden Reichsmark mehr aus der Lohn- und Einkommensteuer erbracht und 1,7 Milliarden aus der Besteuerung von Unternehmen. Die Reichsbank pflichtete dem Vorschlag bei. Doch die politische Führung favorisierte schon Ende Mai 1939 den Weg, den sie später immer wieder durchsetzte: “Zur Deckung des Bedarfs der Wehrmacht muss die Wirtschaftskraft des Protektorats [Böhmen und Mähren] und der im Laufe des Feldzuges zu erobernden Gebiete herangezogen werden.” (p67)

.... die Frauen verfügten nicht selten über 85 Prozent des Normaleinkommens .... Rechnet man Sold und Verpflegung des Eingezogenen dazu, dann verfügten nicht wenige deutsche Familien im Krieg über höhere Einkünfte als im Frieden. .... Gemessen am letzten Friedenseinkommen erhielten die deutschen Familienangehörigen im Durchschnitt 72,8 Prozent an Familienunterhalt. Das war fast doppelt so viel wie den US-amerikanischen (36,7) und den britischen (38,1) Soldatenfamilien zustand. (p88f)

In der Regel setzten die einrückenden deutschen Truppen zunächst so genannte Reichskreditkassenscheine (RKK-Scheine) als Zahlungsmittel ein, später die jeweilige landeseigene Währung. Die RKK-Scheine sahen wie Papiergeld aus, entsprachen gestückelt dem Gegenwert von 0,50 bis 50 Reichsmark und lauteten auf Reichsmark. Mittels des militärischen Hilfsgeldes konnte beim Einmarsch weitgehend auf die Beschlagnahme und das umständliche Ausstellen von Requisitionsquittungen gemäß Haager Landkriegsordnung verzichtet werden. Das machte die Truppe beweglicher, kam dem Gewinnstreben der Bevölkerung entgegen und vermied “Die nachteiligen Wirkungen der Requisition auf die Manneszucht”. Zwar wurde der RKK-Schein in Deutschland emittiert und von der Reichsdruckerei hergestellt, durfte aber in Deutschland nicht umlaufen. Im Grunde stellte er nichts weiter dar als einen typisierten Requisitionsschein; der geschäftsführende Vizepräsident der Reichsbank, Puhl, sprach von einem “in Geldform gekleideten Requisitionsschein”. Das galt in volkswirtschaftlicher Hinsicht, nicht jedoch für den Empfänger, und darin lag der große Vorteil.
Nimmt man das Beispiel Frankreich, dann akzeptierten dort Handel und Privatleute die RKK-Scheine deshalb ohne Schwierigkeiten, weil die Banken und Sparkassen unverzüglich per Dekret gezwungen wurden, die RKK-Scheine in französische Francs einzutauschen. Die Geldinstitute lösten sodann das deutsche Besatzungsgeld bei der Banque de France gegen Francs ein. Diese musste die RKK-Scheine anschließend an die Reichskreditkasse in Paris, die sofort errichtete deutsche Finanzzentrale im besetzten Frrankreich, weiterreichen. Dafür aber erhielt die französische Notenbank keinen Gegenwert. Vielmehr musste sie Geld drucken lassen oder im Verein mit der staatlichen Finanzverwaltung solches beschaffen, um den Gegenwert der von ihr zwangsweise aufgekauften RKK-Scheine zu decken. An diesem Punkt der Zirkulation materialisierte sich die monetäre Ausplünderung der besetzten Länder Europas und begannen die Probleme der von Deutschland bewusst exportierten Kriegsinflation. (p103)

Tatsächlich löste der Einsatz von RKK-Scheinen während des Kriegsverlaufs in den okkupierten Ländern immer wieder ein “Gefühl der Befriedigung aus”. Das “Bewusstsein des erhaltenen Gegenwertes” ließ den Unterworfenen “die Tatsache, dass der Käufer im Grunde ein Feind ist, nicht in Erscheinung treten”. (p106f)

Deutsche Soldaten kauften die Länder Europas buchstäblich leer. Sie verschickten Millionen Feldpostpäckchen von der Front in die Heimat. Adressaten waren hauptsächlich Frauen. (p115)

Erst im Zeichen der drohenden Niederlage sah sich selbst Göring gezwungen, die private Beutejagd nicht länger zu begünstigen. Am 15. Mai 1944 entschloss er sich - auf Druck des Finanz- und Ernährungsministeriums - zum Verbot der privaten “Einfuhr von Mehl, Fett und Fleisch aus den besetzten Gebieten”. Wirksam wurde die Anweisung nie, und zwar aus Furcht vor Volkes Laune. (p130f)

So entstand millionenfach, im Falle [Heinrich] Böll zweifellos passive Loyalität. Mehr brauchte die Diktatur für ihre politische Funktionsfähigkeit nicht. Die katholische, politisch naziferne Familie Böll zeigte sich zufrieden. Ihr Geld lag nicht zwecklos herum - in Frankreich verwandelte es sich, wenn auch zu steigenden Preisen, in Nützliches und Angenehmes. (p132)

Rückblickend brüstete sich Hamburgs Gauleiter, Karl Kaufmann, er sei im September 1941 “nach einem schweren Luftangriff an den Führer herangetreten mit der Bitte, die Juden evakuieren zu lassen, um zu ermöglichen, dass wenigstens zu einem gewissen Teil den Bombengeschädigten wieder eine Wohnung zugewiesen werden könnte”.
Nicht zuletzt unter dem Eindruck solcher Argumente entschloss sich Hitler im Herbst 1941, die deutschen Juden schon während des Krieges zu deportieren und nicht erst - wie bis dahin beabsichtigt - nach dem Sieg. .... Auf der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 erwähnte Reinhard Heydrich im Hinblick auf besonders vordringliche Deportationen die “Wohnungsfrage und sonstige sozial-politische Notwendigkeiten ausdrücklich. (p139f)

Am 14. Januar 1942 beauftragte Rosenberg seinen Einsatzstab, nunmehr “über die gesamten Wohungseinrichtungen der geflohenen und noch abreisenden Juden in den besetzten westlichen Gebieten” zu verfügen, .... steht allerdings fest, wer dem Raub die Befehlsgrundlage verschaffte. Es war weder Hitler noch Rosenberg, sondern das Oberkommando des Heeres. Wie der zuständige Referent im Reichsfinanzministerium feststellte, hatte Hitler der “Maßnahme zugestimmt”, das OKH “habe sie angeordnet”. (p142)

Bis zum Sommer 1944 transportierten die deutschen Katastrophenhelfer unter Mitarbeit der Amsterdamer Spedition A. Puls das Inventar von 29 000 Wohnungen in das Reich. (p150)

Neben den schon erwähnten 2699 Güterwagen mit Möbeln von westeuropäischen Juden verfrachteten 45 Schiffe weitere 27 277 Tonnen “Judengut” in die Stadt. Es kam aus Holland und Belgien. Insgesamt ersteigerten sage und schreibe 100 000 Bieter aus Hamburg und der näheren Umgebung Stücke aus dem Geraubten. Genauer: es handelte sich hauptsächlich um Bieterinnen, denn die Männer standen im Krieg. (p154)

Dankschreiben von Möbelempfängern “aller Berufsschichten” bestätigten die sozialpsychologische Wirksamkeit “schnellster Hilfe immer wieder eindrücklich”. (p155)

Gleichzeitig ersann Göring die “Weihnachtsaktion”, sprich den schon im Sommer 1942 anlaufenden Aufkauf von (Spiel-)Waren im besetzten Westeuropa für die Bescherungen unter deutschen Tannenbäumen. .... in 2306 Güterwagen und einigen Binnenschiffen verstaut, gelangte die Beute in “erster Linie in die bombengeschädigten Gebiete”. In zweiter Linie gingen die Gaben in solche Städte und Regionen, in denen die Kriegsstimmung zu sinken drohte: nach Wien, Breslau, Königsberg und in die schlesischen Industriegebiete. In Holland ließ Göring mit derselben Absicht für 176 Millionen Reichsmark einkaufen.

.... erklärt sich der finanzwirtschaftliche Vorteil des Zwangsarbeitereinsatzes. Er erlaubte das volle Abschöpfen des Lohns zugunsten der Staatskasse. .... Hätte man statt der Zwangsarbeiter mehr deutsche Frauen dienstverpflichtet und die Arbeitszeit für Deutsche stärker verlängert, wären mehrere Milliarden Reichsmark in Umlauf gesetzt worden, mit denen die Frauen keinerlei Waren hätten erwerben, keinerlei Kaufgelüste hätten befriedigen können. Das hätte die Reichsmark destabilisiert und die öffentliche Stimmung möglicherweise stark beeinträchtigt. (p187)

Obwohl die Lebensmittel zweckmäßig rationiert und die Essgewohnheiten dem Krieg angepasst wurden, blieb eine Lücke. Doch anders als im Ersten Weltkrieg verlagerte die deutsche Führung diesmal den objektiv vorhandenen Mangel auf die Menschen besetzter Länder, auf verfolgte Minderheiten und sowjetische Kriegsgefangene. Das bedeutete Hunger in Polen oder in Griechenland, besonders in der Sowjetunion; das lenkte den Hungertod in die psychiatrischen Kliniken, Ghettos, KZs und Kriegsgefangenenlager. Im Sinne einer solchen Politik erklärte Göring mehr als einmal: “Wenn gehungert wird, dann hungert nicht der Deutsche, sondern andere.” (p197)
[Anmerkung: Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts produzierten die Deutschen nur etwa vier Fünftel der Lebensmittel, die sie verzehrten, selbst; ein Fünftel mussten sie importieren. .... NS-Ernährungspolitiker beklagten die “Sklaverei des Lebensmittel-Weltmarktes” und riefen als Ziel die “Nahrungsfreiheit” aus. Mit den Devisen, die bisher für den Import von Lebensmitteln gebraucht wurden, sollten künftig Rohstoffe für die Waffenherstellung eingekauft werden. Was auf den heimischen Tisch kam, wurde nun eine politische Frage. .... “Kanonen statt Butter” .... Statt Butter sollten die Menschen Quark essen. .... “Esst Vollkornbrot - denn es ist besser und gesünder“. 1936 waren erst sechs Prozent der in Deutschland verzehrten Brote Schwarz- oder Vollkornbrote, 1943 trug fast ein Viertel aller deutschen Bäckereien das Siegel eines “anerkannten Vollkornbrotbetriebs“. ....
Allein vier bis sieben Millionen Menschen fielen in der Sowjetunion der brutalen Nazi-Hungerpolitik zum Opfer (Der Spiegel Geschichte 1/2019 “Wie Essen die Welt prägt”, 128f)


“Aus wirtschaftlichen Gründen” [der Ernährung wegen], so hatte die deutsche Führung früh festgelegt, “ist die Eroberung großer Städte unerwünscht. Ihre Einschließung ist vorteilhafter.” Am 10. September 1941 schrieb der Ernährungsexperte des Oberkommandos der Wehrmacht, Profesor Wilhelm Ziegelmayer, in sein Tagebuch: “Wir werden uns auch künftig nicht mit mit Forderungen nach einer Kapitulation Leningrads belasten. Es muss durch eine wirtschaftlich begründete Methode vernichtet werden.“ Am 27. November notierte der Hamburger Oberbürgermeister Carl Vincent Krogmann in seiner Chronik, nachdem ihm ein Mitglied seiner Hauptverwaltung über eine Dienstreise an die Front um Leningrad berichtet hatte: “Man nimmt an, dass der größte Teil der Menschen in Leningrad, ca. 5 1/2 Mill., verhungern wird.“ Der Minister für die besetzten Ostgebiete sprach von einer “harten Notwendigkeit, die außerhalb jeden Gefühls steht“. Zur selben Zeit prognostizierte Göring “das größte Sterben seit dem Dreißigjährigen Krieg“. .... In Leningrad-St.Petersburg verhungerten während der zweieinhalbjährigen deutschen Belagerung mindestens eine Million Menschen. (p198f)

Wie Christian Gerlach nachgewiesen hat, beschleunigten die Schwierigkeiten, die Deutschen auf hohem Niveau zu ernähren, den Mord an den europäischen Juden. (p200)

Bis zum 1. Februar 1942 waren von 3,3 Millionen gefangenen Soldaten der Roten Armee bereits zwei Millionen in deutschen Lagern und während der Transporte umgekommen, also 60 Prozent. .... Im Ersten Weltkrieg hatte Deutschland an Hunger gelitten, damals starben von 1,4 Millionen russischen Kriegsgefangenen 5,4 Prozent. Bedenkt man, dass ein Teil der Männer verwundet oder schon erschöpft in Gefangenschaft geraten war, dann beweist die Sterbequote, wie peinlich genau sich die Reichsleitung damals an die Haager Landkriegsordnung gehalten hat. (p201)

Nach allem bewirkte der deutsche Lebensmittelraub eine Hungerkatastrophe für viele Zehnmillionen Menschen oder - rein rechnerisch gesprochen - den vollständigen Entzug der Ernährungsgrundlage für mehr als 21,2 Millionen Menschen.
Vor einem solchen gedanklich vorweggenommenen und vermutlich noch radikaler ausgelegten Szenario beschloss die Staatssekretärskonferenz vom 21. Mai 1941: “Der Krieg ist nur weiterzuführen, wenn die gesamte Wehrmacht im dritten Kriegsjahr aus Russland ernährt wird. Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird.”

Nun konnten die Besatzungsverwaltungen und Kollaborationsregierungen zwar eine kontrollierte Inflation in Kauf nehmen, nicht jedoch eine galoppierende. Die Deutschen wollten das vermeiden, weil eine solche Inflation, wie sie sich im besetzten Griechenland rasch entwickelte, das gründliche Ausbeuten und eine möglichst kooperative Besatzungsverwaltung sofort erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht hätte. Das jeweilige Landesgeld musste seine Funktion als Zahlungsmittel unbedingt behalten. (p212)

Am 23. Mai 1944 stellten die Beamten im Reichswirtschaftsministerium gelegentlich einer Ungarn-Sitzung mit Zufriedenheit fest: “Die ungarische Judengesetzgebung ist inzwischen weiter vervollständigt worden. Die ungarische Regierung rechnet damit, dass die großen finanziellen Anstrengungen, die im Rahmen der gemeinsamen Kriegsführung notwendig werden, weitgehen aus der Enteignung der Judenvermögen bestritten werden können. Diese Vermögen sollen mindestens 1/3 des gesamten Nationalvermögens betragen. Man rechnet mit einer erheblichen Liquidierungsmöglichkeit von Judenvermögen.” (p220)

Nach demselben Schema [Verwertung von Aktien, Wertpapieren, Anleihen, Münzen, Gold, Edelsteinen (diese an das Städtische Berliner Pfandhaus)] wurde mit den von der Haupttreuhandstelle Ost eingelieferten Werten verfahren. Sie waren Juden im annektierten Teil Polens in ihrer Gesamtheit abgenommen worden, ebenso Hunderttausenden einzelnen Polen, die zu Staatsfeinden erklärt oder zur Umsiedlung gezwungen wurden. (p224)

Während zum Beispiel Golduhren hauptsächlich im Inland verkauft und Edelmetallschmuckstücke von geringem Wert den Scheideanstalten zum Einschmelzen geschickt wurden, waren besonders wertvolle Schmuckstücke, Edelsteine und Perlen zum Verkauf im Ausland bestimmt, um so Devisen für Kriegszwecke herauszuschlagen. ....
Die Angebote gingen vorzugsweise in die Schweiz. Doch konnte wegen der offensichtlichen Unlust potenzieller Käufer, solche Edelsteine dubiosen Ursprungs zu erwerben, “nur ein kleiner Teil der bei der Zentralstelle abgelieferten Diamanten und Perlen gegen Devisen im Ausland verwertet werden. Den ablieferungspflichtigen Juden wurden zwischen 1939 und 1941 zehn Prozent des Inlandspreises erstattet und davon zehn Prozent Verwaltungskosten abgezogen. (p226)

Doch der Versuch, “die wirtschaftliche Entjudung ähnlich wie in Frankreich im Wege der landeseigenen Gesetzgebung zu regeln”, lief ins Leere. Die belgischen Generalsekretäre der einzelnen Ministerien, die an Stelle der geflohenen Regierung ein Verwaltungskabinett bildeten, verweigerten “die Mitarbeit mit Rücksicht auf Verfassungsschwierigkeiten”. Ihre Haltung hob sich von der sonst in fast allen Ländern Europas üblichen Kollaboration deutlich ab. .... So hatte der Procureur du Roi den Notaren des Landes schlicht untersagt, Verträge zu beurkunden, mit denen Liegenschaften von Juden veräußert werden sollten. Die Besatzungsgewaltigen - immer Wehrmachtoffiziere, niemals die SS - zwangen den Mann zum Rücktritt. “Seine Anordnung blieb jedoch wirksam”, weil sich niemand in der belgischen Justiz bereit fand, sie zu annullieren.
So sah sich der Militärbefehlshaber am 21. Dezember 1943 gezwungen, eine Verordnung herauszugeben, mit der die Beurkundungen belgischer Verträge vor einem deutschen Notar für rechtswirksam erklärt wurden. Doch fehlten 1944 die Kunden, sei es aus Solidarität mit den Verfolgten oder im Blick auf die kriegerischen Misserfolge der Deutschen. In ähnlicher Weise betrieben die Registergerichte des Landes Obstruktion. Sie weigerten sich beharrlich und bis zum Schluss, jene 6057 jüdischen Unternehmen, die von den Deutschen liquidiert worden waren, aus dem Handelsregister zu tilgen. Daraufhin sollte das belgische Justizministerium die Streichung von Amts wegen vornehmen. Auch das misslang. (p230)

Slowakischen Schätzungen zufolge zwangen die Deutschen der verbündeten Slowakei im Verlauf des Zweiten Weltkriegs Güter und Dienste im Wert von mindestens sieben Milliarden Kronen ab. Davon konnten nahezu 40 Prozent aus Arisierungserlösen kompensiert werden. (p257)

Saloniki war über Jahrhunderte eine türkisch-bulgarisch-griechisch-jüdische Stadt. Noch im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nutzte man das Ladino der sephardischen Juden als örtliche Lingua franca. Zwischen 1912 und 1941 verlor die jüdische Gemeinde bereits einige Zehntausend Mitglieder, die sich wegen des zunehmenden Nationalismus und der wirtschaftlichen Not zur Emigration entschlossen hatten. (p274)

Sofern deutsche und nichtdeutsche Finanzfachleute die Vermögenswerte von Juden in Kriegsanleihen verwandelten, verstießen sie formal nicht gegen die Enteignungsverbote etwa der französischen Verfassung oder der Haager Landkriegsordnung. Vordergründig schichteten sie die Werte einfach um und machten die Juden zu Gläubigern kriegführender und besetzter Staaten. Doch ermordeten die Deutschen diese Gläubiger in ihren Gaskammern. Was immer sich die Finanzfachleute unter der Deportation von Juden “zum Arbeitseinsatz im Ostraum” vorgestellt haben mögen, jedenfalls kalkulierten sie ein, dass die Menschen, die sie zwangsweise zu Kreditgebern gemacht hatten, auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Damit wurden sie zu Interessenten und Nutznießern des Mordens. Betrachtet man die konkrete Politik der “Entjudung” in einzelnen Regionen Europas, dann ging - wie die Beispiele Frankreich, Rumänien oder Bulgarien zeigen - die konsequente Enteignung nicht zwingend mit der weitgehenden Ermordung einher. Politische Bedenken, der Kriegsverlauf und die Bereitschaft der nationalen oder örtlichen Gesellschaften oder auch nur Einzelner, den Verfolgten zu helfen, brachen die Vernichtungslogik verhältnismäßig leicht.
.... Über die zwangsweise Umwandlung jüdischer Vermögenswerte in Kriegsanleihen durfte nicht berichtet werden, konkrete Zahlen über die Erlöse blieben geheim. Stattdessen sollte die Judenverfolgung als rein idologische Frage propagiert und aufgefasst werden. Die wehrlosen Opfer eines heimtückischen Massenraubmords sollten als nichtswürdige Feinde erscheinen. .... Es besteht kein Grund, die Argumentationshilfe für nazistische Indoktrinatoren mit der geschichtlichen Faktenlage zu verwechseln. (p314f)

Der Holocaust bleibt unverstanden, sofern er nicht als der konsequenteste Massenraubmord der modernen Geschichte analysiert wird. (p318)

Fest steht, dass das Deutsche Reich von den laufenden Kriegseinnahmen, konservativ gerechnet, rund 170 Milliarden Reichsmark aus ausländischen Quellen hereinholte. Das entsprach dem Zehnfachen der Reichseinnahmen im Jahre 1938 und würde heute etwa 1,7 bis 2 Billionen Euro ausmachen. Diese Politik der Ausplünderung bildete die Grundlage für das Wohlergehen und die in erster Linie materiell begründete politische Loyalität der Deutschen. Die Einheit zwischen Volk und Führung bezog ihre verhängnissvolle Stabilität nicht hauptsächlich aus einer raffinierten ideologischen Propaganda; vielmehr wurde sie mit den Mitteln des Raubes hergestellt und mit der sozialpolitisch “gerechten” Umverteilung der Beute zwischen den deutschen Volksgenossen. (p324)

Vom inländischen Steueraufkommen zahlten die schlecht und mäßig Verdienenden (zwei Drittel der Einkommensbezieher) den Anteil, der auf den Kriegszuschlag für Tabak, Bier und Schaumwein entfiel: Das waren insgesamt etwa 12 Milliarden Reichsmark, also 16 Prozent des inländischen Aufkommens an Kriegssteuern. (p325)

Auch wenn das Verhältnis zwischen Einnahmen und Kreditaufnahme im Zweiten Weltkrieg um vieles günstiger stand als im Ersten, so musste der Reichsfinanzminister doch erhebliche Kriegskredite im Inland aufnehmen. Das geschah in einer Weise, die man in Fachkreisen “geräuschlose”, manchmal auch “unsichtbare” Finanzierung nannte. Anders als 1914/18 bedeutete sie den Verzicht, im Volke für langfristige Kriegsanleihen zu werben. Stattdessen wurden die kurzfristig fälligen Sparguthaben mit Hilfe der Kreditinsitute direkt beliehen, und zwar ohne konkreten Rechts- und Zustimmungsakt - hinter dem Rücken der Sparer. (p328)

Während in Großbritannien die Einnahmen aus Steuern und Abgaben im Zweiten Weltkrieg um 336 Prozent anstiegen, stiegen sie in Deutschland um 196 Prozent.
.... Die deutsche Finanztechnik entsprach der Strategie des Blitzkriegs. Sie stand und fiel mit dem schnellen Erfolg.
.... Innenpolitisch betrachtet, offenbart sich in der Technik der geräuschlosen Kriegsfinanzierung ein machttaktisches Charakteristikum. Die nationalsozialistischen Führer vermieden die offene Abstimmung über den Krieg, denn nichts anderes hätte die Emission langfristiger Kriegsanleihen und deren möglicherweise zögerliche oder gar stockende Zeichnung bedeutet. “Da Hitler nicht wünschte”, so schrieb ein aktiv beteiligter Wissenschaftler später, “dass die Finanzierung des Reiches in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, untersagte er sowohl in der Aufrüstungsperiode als auch im Kriege die öffentliche Auflegung von Anleihen.” Ihm fehlte, um es mit den 1944 von Ludwig Erhard zwar vorsichtig, doch eindeutig gemünzten Worten zu sagen, die Statur, “dem Volk die Schwere des erforderlichen Opfers” bewusst zu machen, und “der Mut zur Verantwortung”. Hitler neigte zum “Versteckspielen” und “Verschleiernwollen”. Seine Furcht vor einer ernsthaften materiellen Zumutung an die Deutschen entsprach dem Verhalten seines Verbündeten Mussolini. Auch der Duce hatte sich, so urteilten 1944 ausgerechnet die deutschen Besatzer, “niemals entschließen können, durch eine Anleihe das Vertrauen der Bevölkerung zu erproben”.
.... Der von mir geprägte Begriff der jederzeit mehrheitsfähigen Zustimmungsdiktatur muss daher konkreter gefasst werden: Die Zustimmung entsprang mehrheitlich keiner ideologischen Überzeugung; vielmehr wurde sie durch systematische Bestechung mittels sozialer Wohltaten immer neu erkauft. Das ging zum überwiegenden Teil zu Lasten so genannter Volksfremder, doch am Ende auch zu Lasten der Bestochenen. (p331ff)

Üblicherweise greifen Historiker auf die Berichte der SD-Spitzel (besonders auf die Meldungen aus dem Reich zurück), auf Briefdokumente, auf Bemerkungen von NS-Funktionären[,] auf einzelne Tagebücher und ähnliche Quellen, um das öffentliche Klima des Dritten Reiches darzustellen. (p334)

Vom August 1944 an horteten die deutschen Durchschnittsverdiener Bargeld. Die Wohlhabenden hatten etwas früher reagiert: Die Neuabschlüsse von Lebensversicherungen gingen bereits im März 1944 drastisch zurück. Am 15. September 1944 beklagte die Reichsbank “größere Barabhebungen der Bevölkerung”. Otto Ohlendorf, damals auch Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, bemerkte dazu im Januar 1945, das “Bargeld im Volk” habe sich “gewaltig vermehrt”, und das Reich müsse “immer stärker auf die Notenpresse zurückgreifen”. Allein zwischen September und Dezember 1944 war der Notenumlauf von 38,6 auf 48,5 Milliarden Reichsmark angewachsen. Der Anstieg hatte sich gegenüber dem Durchschnitt der zwölf Vormonate ruckartig mehr als verdreifacht. (p337)

Im August 1944 - nachdem die Alliierten in der Normandie gelandet waren, die Rote Armee die Heeresgruppe Mitte an der Ostfront zerschlagen hatte und nach dem fehlgeschlagenen Umsturzversuch vom 20. Juli - zerbrach das Vertrauen in Macht und Mark innerhalb weniger Tage. Sukzessive abgefallen war es - nimmt man die Sparquote als Indikator - bereits seit dem Frühjahr 1943. Der Prozess verlief in den begüterten Schichten des Volkes insgesamt schneller als in den weniger bemittelten. Was die allgemeine Skepsis gegenüber der politischen Führung und die mögliche allgemeine Resonanz anging, war der Putschversuch gegen Hitler am 20. Juli 1944 offenbar doch nicht so aussichtslos, wie manchmal behauptet wird. (p338)

Hitler hätte von sich aus niemals derart konkrete Führerweisungen [zu Währungspolitik etc] erlassen können. Er musste nicht mehr tun, als dem Sachverstand freie Bahn zu verschaffen, verbunden mit der Vorgabe: Gut sei, was den Deutschen nützt; nach dem Methoden werde er niemanden fragen. Nicht umsonst zierte die Reichsbank einen Teil ihrer Briefbögen mit einem dezenten Prägestempel mit Hakenkreuz und dem Ehrentitel “Nationalsozialistischer Musterbetrieb”. (p349)

.... im klaren Gegensatz zu den visionären Momenten ihrer Ideologie dachten die NS-Führer ausschließlich in den Kategorien des politischen Überlebens. Sie trafen ihre Entscheidungen - koste es, was es wolle -, um in den nächsten Wochen, allenfalls in den nächsten paar Monaten über die Runden zu kommen. (p349f)

Die Fachleute balancierten die in ihrer Grundkonstruktion haltlose NS-Herrschaft an zentralen Punkten aus - jeweils nur notdürftig und improvisiert, doch ausreichend für fast zwölf Jahre des Aufrüstens, Zerstörens und Vernichtens. Ihre Tätigkeit nutzte dem stets gefährdeten Gleichgewicht zwischen Volk und Führung auch dann noch, wenn sie offen gegen das politisch gewünschte opponierten, etwa im Fall des Schlepperlasses. Insofern bezog der Nationalsozialismus seine Stärke nicht allein und nicht vor allem aus der so bezeichneten Gleichschaltung. Das Bild vom autoritär durchgeformten Führerstaat ist falsch. Innerhalb politisch und gewaltsam gezogener Grenzen bewahrte das NS-System eine bemerkenswert lebendige Differenz der Ansichten und politisch-fachlicher Vorschläge. Das erzeugte Spannung und - im Wortsinn - Geistesgegenwart. Die Politiker wären ohne fortlaufende Korrektur durch die Fachleute sofort im Währungs- und Schuldenchaos versunken. Hätten jedoch die Politiker die Fachleute nicht gezügelt und von Fall zu Fall den Primat der Politik durchgesetzt, wäre die Massenloyalität schnell runiniert worden. (p352f)

Aber nach jedem der anfangs schnell und verlustarm errungenen Siege stellten sich in der Finanz- wie in der Ernährungsfrage die alten Probleme. So groß die Beute und die eroberten Territorien auch gewesen sein mochten, die Ergebnisse blieben stets hinter den Erwartungen zurück. Deshalb konnte sich der NS-Staat niemals auf die Pflege und den inneren Ausbau des einmal Gewonnenen beschränken. Die Politik der ungedeckten Schecks, der kurzfristig fälligen Reichsschatzanweisungen und der “schwebenden Reichsschuld”, einer Finanzwirtschaft also, die als betrügerisches Schneeballsystem funktionierte, machte die deutschen Politiker strukturell unfähig, nach Verständigung zu suchen. Die NS-Führer mussten die Expansion vorantreiben. Jedes Innehalten hätte das sofortige Ende ihres Regimes bedeutet. Sie konnten sich den Stillstand nicht leisten, auch nicht nach einem Siegfrieden im Jahre 1940, mit dem der “deutsche Volksboden” von Metz bis Lodz - einschließlich aller strittigen Randgebiete, Kohlevorkommen un westpolnischen Kornkammern - zum Reich geschlagen worden wäre. (p354)

Seit dem Winter 1941/42 gelang es der politischen Führung, das Gefühl der abgebrochenen Brücken auf die Mehrheit der Volksgenossen zu übertragen. Gleichgültig wie sie zu einzelnen Maßnahmen standen, betrachteten sie es zunehmend als unmöglich, die einmal eingeschlagene Richtung zu ändern. Das führte 1944/45 dazu, dass so viele den selbsbestimmten, aktiven Untergang der Kapitulation vorzogen. (p355)

Daneben hielt Hitler das zu jedem Zeitpunkt labile Gemenge aus den unterschiedlichsten Interessen und politischen Haltungen allein im Tempo des Handelns stabil. Darin bestand die politische Alchemie seiner Herrschaft. Er verhinderte den Zerfall durch die schiere Dichte der Entscheidungs- und Ereignisabfolge. Er pflegte die NSDAP als Bewegung. (p356)

Aus Berlin meldete Anfang 1940 ein Beobachter der Sozialdemokratischen Partei: “Die Arbeiterschaft begrüßt es durchaus, dass die ‘besseren Leute’ praktisch aufhören, welche zu sein.” Die Rationierung ließ die Sympathiewerte des Regimes steigen. (p358)

Eben weil die Deutschen nicht ein zweites Mal aus purem Patriotismus in den Krieg ziehen wollten, weil sie sich im Herbst 1939 skeptisch zeigten, kam es politisch darauf an, sie am wirtschaftlichen Ertrag der verschiedenen Raubzüge sofort und spürbar zu beteiligen. (p360)

Wer von den Vorteilen für die Millionen einfacher Deutscher nicht reden will, der sollte vom Nationalsozialismus und vom Holocaust schweigen. (p362)

Schluss



Nachwort zur Taschenbuchausgabe - Antwort auf die Kritik
Gustav Seibt benennt in seiner Rezension das Verstörende des “Volksstaats”: “Die Aly-Deutschen kennen wir nämlich: Sie gleichen uns selbst fast aufs Haar. Sie suchen Wohlstand, materielle Sicherheit für die Kinder und fürs Alter, sie wollen das Haus im Grünen, das eigene Auto, den Urlaub. Die Kosten für Nachbarn und Nachfahren kümmern sie wenig.” (p366)

.... wie die Magyarisierung jüdischer Vermögenswerte bruchlos in die Magyarisierung des Besitzes der anschließend enteigneten Deutschungarn überging. (p380)



Umrechnungskurse
Eine Reichsmark entspricht nach heutigem Wert (Stand mar2015) etwa 10 Euro

Von Deutschland 1939 - 1945 festgelegte Wechselkurse
LandWährung Wert in Reichsmark
Albanien 100 alb. Franken 81,00
Belgien 100 Belga = 500 b.Francs 40,00
    von 1943 an:
Bulgarien 100 Lewa 3,10
Dänemark 100 Kronen 52,30
Finnland 100 Finnmark 5,10
Frankreich 100 Francs 5,00
Generalgouvernement 100 Zloty 50,00
Griechenland 100 Drachmen 1,67
(lfd. erhöhter Teuerungsindex)
Großbritannien 100 Pfund 991,00
Italien 100 Lire 13,20
   von September 1943 an:
Kroatien 100 Kuna 5,00
Luxemburg 100 Francs 10,00
Niederlande 100 Gulden (holl. Florint) 132,70
Norwegen 100 Kronen 56,90
Protektorat Böhmen und Mähren 100 Kronen 10,00
Rumänien 100 Lei 1,67
Schweiz 100 Franken 58,00
Serbien 100 Dinare 5,00
Slowakei 100 Kronen 8,60
Ungarn 100 Pengö 60,90
Ukraine 100 Karbowane 10,00
UdSSR 100 Rubel 10,00
USA 100 Dollar 250,20

Amtlicher Goldkurs während des zweiten Weltkriegs
35 $ pro Feinunze = 2784,00 RM
1 Goldpfund = 10 $ = 25 RM (nach anderem Kurs 20 RM)
NOTES:
100 Dänische Kronen am Anfang der Besetzung 50 RM, dann für einige Zeit 49 RM
100 Luxemburgische Francs zweitweilig 12,50 RM
100 Norwegische Kronen ursprünglich 60,00 RM
100 Rubel bis 22jun1941 47,20 RM


[Götz Aly hält am 09nov2018 in der Alten Synagoge in Hechingen einen Vortrag zum Thema „Europa gegen die Juden“. Er thematisiert dabei auch den Neid der übrigen Deutschen auf das schnelle Vorankommen der Juden, welche eben in der „lauten Judenschule“ das Debattieren erlernen anstatt des üblichen Gehorsams, als Ursache für den Umgang mit den Juden. Auf die Frage nach der Einordnung der Verfolgung der [mit dezidiertem Bildungsziel agierenden] Gülenisten in der Türkei, weist Aly auf den Umstand hin, bereits die Verfolgung der Armenier folge wie diejenige der Gülenisten demselben Schema wie im Europa zur Zeit des Nationalsozialismus, der Vernichtung der dem trägen Volke Davoneilenden nämlich.
Mehr dazu siehe unten]







Die Realität zu Hugo Bettauers visionärem Roman “Stadt ohne Juden”, Wien 1922

Von den Folgen stark beschleunigter sozialer Mobilität

Von der verschämt radikalen Brutalität in den hinteren Startreihen des sozialen Aufstiegsrennens

Aus       Götz Aly
Warum die Deutschen? Warum die Juden?
Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 - 1933
(S. Fischer, Frankfurt/Main, 2011; 2. Auflage des Taschenbuches, may2018)

Dem Reformpädagogen und Philosophen Friedrich Paulsen fällt 1902 auf:
Die Katholiken liegen in ihrem Bildungsstreben um mehr als 50% hinter den Protestanten, die Juden übertreffen beide Gruppen um ein Vielfaches. Die jüdische Bevölkerung ist fast ausschließlich städtisch und über dem Durchschnitt wohlhabend mit starkem Drang zur Verbesserung der sozialen Stellung (p44) [siehe bei J.S. Margot]

    Die Noten der Juden in den Fächern Mathematik, Chemie und Physik, den kaufmännischen und juristischen Fächern waren durchweg besser als die der anderen Schüler, nicht so die Noten für Betragen, der “größeren Lebhaftigkeit der Juden” wegen. “Als Gründe nannte Němeček [in einer Untersuchung im Schuljahr 1913/14], dass in diesen Fächern ‘in erster Linie der Intelligenz des Schülers Aufgaben gestellt’ würden, ‘die größere Reife der jüdischen Schüler auf dem Gebiete der abstrakten Gedankenarbeit’ zum Tragen komme, ebenso deren rasche Auffassungsgabe, Schreibgeschwindigkeit, umfangreicher Wortschatz und emotionale Wachheit. Nur im Zeichnen, Schönschreiben und Turnen lagen die christlichen Schüler vorne.” [s.o. zur Judenschule] (p46f)
[Anmerkung:
In einer Untersuchung der Generation der polnischen Kommunisten des Jahres 1910 berichtet Jeff Schatz, einige von ihnen erachteten den Stil ihrer marxistischen Ausbildung als im Wesentlichen jüdisch: << La méthode de base était l`autoapprentisage, accompagné par les instructions de camarades plus avancés. Lectures et discussions permanentes, donc, et quand ils n`arrivaient pas à se mettre d`accord sur le sens d`un texte, ou quand les sujets étaient trop compliqués, ils demandaient l`aide d`un expert dont l`interprétation autorisée était en règle générale acceptée. >>
Yuri Slezkine, Le siècle juif, La Découverte, 2009, p159]

    Arndt und seine Anhänger “schufen den Boden, aus dem der spezifische deutsche Antisemitismus erwuchs: national eintöniges Gleichheitsgebrause, Engherzigkeit und grämlicher Neid auf diejenigen, die sich mit hellwachem Geist an der Gegenwart erfreuten und deren Geschäfte in bunter Vielfalt blühten.” (p57)

    “Die nationale Gemeinschaft mit ihren Ideen von Volksgeist, Blutsverwandtschaft und gemeinsamem Geschichtsboden versprach ein Mindestmaß an Georgenheit in einer Welt, die sich mit bis dahin unbekanntem Tempo änderte. Individuelle Freiheit bedeutete den Meisten Verlust, sie verursachte Angst und erzeugte das Bedürfnis nach neuen Formen kollektiver Sicherheit.” (p65)

    “Als sozialhistorisches Dokument gelesen, erhellt Hoffmanns Text [August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), deutscher Schriftsteller und Autor des Deutschlandliedes] die Haltlosigkeit der national erregten Demokraten. Er bildet den vollendeten Gegensatz zur Marsaillaise (‘Allons enfants de la Patrie ....’). In der französischen Hymne brechen Menschen auf, greifen zu den Waffen, streiten für die Freiheit, überwinden die Tyrannen in der Revolution. Das Lied der Deutschen besingt die Kuhwärme nationaler Gemeinschaft: deutschen Sang, deutsche Frauen, deutschen Wein, deutsche Treue und deutsches Vaterland. Das nationale Korsett umschnürt die Individuen, gibt ihnen kollektiven Halt - Einheit und Gemeinschaft.” (p67)

    “In ähnlicher Tonlage wie Metternich argumentierte Heine gegen [Carl] Ludwig Börne. Wer wie dieser die Deutschen zur Revolution aufstachle, streue eine Saat aus, ‘die früh oder spät die furchtbarsten Früchte hervorbringt’. .... Auch deutsche Freiheitshelden und Demokraten, die sich unter den republikanischen Farben Schwarz-Rot-Gold sammelten, ebneten Wege, die am Ende nach Auschwitz führten. Sie proklamierten die Nation als Einheit von geschichtlicher Herkunft, Religion und Sprache. Sie stellten die Volkseigenart, den ethnisch definierten Volksgeist über die universellen Menschenrechte. Damit schlossen sie sogenannte Fremdlinge aus - im Namen der nationalen Einheit.” (p69f)

    “Vor 1945 lebten die Deutschen zwischen Kurischem Haff und Vogesen, zwischen Belt und Schelde, Böhmerwald und Salurner Klause und weit die Donau hinunter. Sie bildeten das größte Volk Europas. Genau in der Mitte gelegen, gingen über deutsches Territorium besonders viele Völkerverschiebungen, Kriege und Religionszerwürfnisse hinweg. Folglich wurden die Deutschen das am gründlichsten gemischte, in seinen Stämmen sehr verschiedenartige, an seinen Rändern am wenigsten klar definierte größere Volk Europas. Die seit 1800 immer wieder veranstaltete Suche nach der reinen deutschen Volksseele musste - an objektiven Kriterien gemessen - scheitern. Subjektiv scheiterte die großdeutsche Staatsidee an den transnationalen Feudalmächten des alten Europa. Doch überdauerte der einmal formulierte Kulturnationalismus die politische Niederlage und konnte als christlich-nationaler Dünkel ins Selbstverständnis des 1871 gegründeten Deutschen Reiches übernommen werden. Mit seinen Landsmannschaften und regionalen Eigenheiten war Deutschland für eine föderale Republik geschaffen.” Was jedoch die Anerkennung der alten fürstlichen Landesherrlichkeiten erforderte, mithin einen unitarischen Zentralstaat. (p80f)

   
“Im katholischen, westlich orientierten Rheinland stimmte die übergroße Mehrheit [in den nach ständischen Regeln gewählten Regionalvertretungen] für die Emanzipation der jüdischen Minderheit, ebenso in Westfalen.” In der Provinz Sachsen, etwa das heutige Sachsen-Anhalt und den Norden Thüringens umfassend, fürchtete man die jüdische Konkurrenz in den Städten, hier votierten von 66 Stimmberechtigten vier für die Emanzipation, in Ost- und Westpreußen stimmten 57 dagegen, 30 dafür. .... “Die unterschiedlichen Voten zeigen das für Deutschland bekannte Ost-West-Gefälle.” Wohl sind drei Faktoren ausschlaggebend: im Westen weit schnellerer Wirtschaftsfortschritt und Wirkung der napoleonischen Reformen und schließlich die Nähe des Ostens zu Russland und dem Habsburgischen Reich, über deren Grenzen relativ viele osteuropäische Juden hätten zuwandern können. .... In Sachsen kamen 1840 auf 10000 Christen fünf Juden, insgesamt gut 800. (p86ff)

    In den städtischen Sparten Handel und Verkehr arbeiteten 1907 nur 4.5 Prozent der evangelischen Erwerbstätigen als Selbständige, von den Juden 37 Prozent. “Um 1900 stiegen drei Prozent der Christen in die neue soziale Klasse der Angestellten auf, jedoch elf Prozent der Juden. Umgekehrt verdingten sich 25 Prozent der Christen als Hilfspersonal ohne Vorbildung, von den Juden nur drei Prozent. .... Folgerichtig warnte der der Antisemit Adolf Stoecker, ‘dass Judentum und Fortschritt zusammenstehen’. Man könne ‘das Joch der Juden nur brechen, wenn man sich vom Fortschritt losmacht’ und sich am Hergebrachten festhalte - sprich: am zum Untergang verurteilten. .... Wohin der christliche Immobilismus führte, veranschaulicht das Steueraufkommen. Im frühen 20. Jahrhundert zahlten die Juden in Frankfurt am Main ‘viermal so viel Steuern wie der durchschnittliche
protestantische Stadtbürger und achtmal so viel wie ein Katholik. .... Die Einkommens- und Vermögensstatistiken blieben zwischen einzelnen Autoren nicht unumstritten, doch ergaben kritische Nachprüfungen, dass deutsche Juden vor dem ersten Weltkrieg im Durchschnitt das Fünffache des Einkommens eines Christen erzielten.” (p94f)
[Anmerkung:
En 1908-1911, au niveau de l'allemagne tout entière, les juifs représentaient 0,95 % de la population et 31 % des familles les plus fortunées (ce qui signifie un << indice de surreprésentation au sein des élites économiques >> de 33, le plus élevé du monde d'après W.D. Rubinstein). En 1930, près de 71 % des membres de la tranche superiéure des contribuables hongrois (è savoir ceux dont le revenu dépassait 200000 pengö) étaient juifs. Et, bien entendu, les Rothschild, tout à la fois >> banquiers du monde entier >> et << rois des Juifs >>, étaient de loin la famille la plus riche du XIXe siècle.
Yuri Slezkine, Le siècle juif, La Découverte, 2009, p88]

    Im Gründerkrach fanden die im Vorfeld für die Lage blinden Bankdirektoren, Journalisten, Wirtschaftswissenschaftler schnell die Schuldigen: jüdische Spekulanten. “In Wahrheit hatten sich Nichtjuden massenhaft im Börsengeschäft versucht. Ihre Experimente endeten, wie vermutet werden darf, häufiger als im Fall der wirtschaftlich erfahreneren Juden im selbstverschuldeten Spekulationsdesaster.” Ein weiterer Grund für den Ende der 1870er Jahre organisiert auftretenden Antisemitismus war der 1871 begonnene Kulturkampf gegen den Einfluss der katholischen Kirche und Bismarcks Ende der 1870er Jahre vollzogener antiliberaler Schwenk. Der Staat grenzt die Rechte der katholischen Kirche ein, diese wiederum wettert gegen das (liberale) Judentum. Bismarcks Abkehr vom Liberalismus spaltet die Freigesinnten, das sowieso schwach ausgeprägte freiheitliche Denken in Deutschland wird nachhaltig geschwächt, was dem nationalen und staatlich organisierten Kollektivismus zum Durchbruch verhilft. (p105ff)

   
“Während der zweitägigen Generaldebatte zur Judenfrage wies der freisinnige Abgeordnete Rudolf Virchow die Behauptung von den Besonderheiten der jüdischen Rasse als für jedes ‘normal organisierte Gehirn’ unverständliches Geschwätz zurück. Es gehorche ‘in erster Linie dem Neid’ darauf, dass viele Juden sich nach oben arbeiteten, ‘es zu Stande bringen’.” .... “Ähnlich argumentierte der nationalliberale Abgeordnete Arthur Hobrecht. Er führte ‘ein gut Teil des hässlichsten Neides’ gegen Juden auf den ‘beklagenswerten Mangel an ruhigem, festen Selbstvertrauen und an Energie’ zurück.” (p110f)

    “Die Manifeste der antisemitischen Deutschsozialen Partei und der Alldeutschen bildeten inhaltlich die Grundlage für die entsprechende Programmatik der späteren NSDAP.” (p115)

    “Die Rassenkunde entstand im Grenzbereich zwischen Biologie, Medizin, Anthropologie und Ethnologie. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts folgten ihre Vertreter zunehmend dem Paradigma von unabänderlichen Rangunterschieden zwischen einzelnen menschlichen Großgruppen. .... Mangels nennenswerter Kolonien konnte das deutsche Kaiserreich die Rassenkunde zu solchen Zwecken nicht gebrauchen. .... Im Sinne des nationalen Minderwertigkeitskomplexes betonten deutsche Rassenforscher die Überlegenheit und seelisch-geistige Besonderheit des eigenen Volkes.” (p119ff)

    “.... Fischer .... Bastardstudie .... Später verallgemeinerte er die empirischen Daten seiner Feldforschung zu dem ‘Ergebnis’, dass das ‘normale Seelenleben’ und die ‘geistigen Eigenschaften’ eines Menschen ‘rassenerblich’ seien und Rassenmischung (‘Bastardisierung’) zu erheblichen genetischen Qualitätseinbußen führe.” (p123)

   
Die Sozialdemokratie fördert indirekt die innere Bereitschaft, Hitler zu wählen oder doch neutral abzuwarten, denn 1) sieht sie die Juden als besonders agilen Teil der bürgerlichen Klasse; 2) erzeugt die Förderung des Aufstiegs des Proletariates potentiell Anhänger der NSDAP, einer Partei der Aufsteiger; 3) stacheln die angesichts des Massenelends erhobenen Forderungen nach Umverteilung den Sozialneid an; 4) sieht sich die SPD als antibürgerliche Kraft, ein starker proletarischer Staat soll dem Volkswohl dienen, die individuelle Freiheit wird klein geschrieben, das Freund-Feind-Denken bevorzugt; 5) ist die Übertragung der Vorstellung vom entrechteten Proletariat auf diejenige des entrechteten deutschen Volkes ein kurzer Weg; 6) kann der historische Materialismus anstatt auf Klassen auch auf Rassen angewandt werden (p130ff)

    Das geflügelte Wort unbekannter Herkunft “Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerle” wurde im SPD-Vorstand immer wieder gebraucht. Am Ende werde die sozialdemokratische Lehre bei den Antisemiten auf fruchtbaren Boden fallen, führte Bebel aus (p135)

    Ende 1893 ging der österreichische Sozialist Heinrich Braun so weit, die Antisemiten als Erwecker der noch nicht herangereiften Bevölkerungsschichten im ideellen Dienste der Sozialdemokratie anzusehen (p136)

    Die Zuweisung der Schuld am Ersten Weltkrieg an die Deutschen in Artikel 231 des Versailler Vertrages verletzte den von Wilson verkündeten und von Deutschland 1918 akzeptierten Kerngedanken eines “Friedens ohne Sieger”. Der Kriegsschuldparagraph führte zu einer mehrheitlichen Leugnung der Mitschuld am Krieg durch die Deutschen. Bald gemachte Zugeständnisse bei den extrem hohen Reparationsforderungen verlängerten Zahlungszeitraum und Zinslast und damit das Gefühl einer zeitlich unbegrenzten Knechtschaft. Als dann Hitler nach seinem Regierungsantritt 1933 alle paar Monate einen weiteren der Versailler Paragraphen für nichtig erklärte, schauten die Siegermächte mit schlechtem Gewissen bis 1939 zu, da selbst nicht mehr an die Weisheit des Rache-Vertrages glaubend. (p156f)

    Wie John Maynard Keynes bereits während der Pariser Verhandlungen warnte, blockierte dieser Friedensvertrag den wirtschaftlichen Wiederaufschwung Europas. “Er warf den Siegern vor, Deutschland für ein Menschenalter zu versklaven, aus wüstem Egoismus die ‘Erniedrigung von Millionen lebendiger Menschen und die Beraubung eines ganzen Volkes’ in Kauf zu nehmen. Die Kritik galt speziell Frankreich. Sie blieb ungehört.” Der “oktroyierte Frieden werde in Deutschland binnen weniger Jahre unvermeidlich zur massiven Geldentwertung führen. .... Es gibt kein feineres und kein sichereres Mittel, die bestehenden Grundlagen der Gesellschaft umzustürzen, als die Vernichtung der Währung. .... Wenn wir absichtlich auf den Ruin Mitteleuropas aus sind, dann wird, das wage ich zu prophezeien, die Vergeltung nicht ausbleiben.” (p158ff)

    Der junge Philosoph Ernst Bloch sah 1919 in München “auch organisiertes Proletariat” am Werk, keinesfalls nur verelendete Kleinbürger und Lumpen, sondern “die rachsüchtige, kreuzigende Kreatur aller Zeiten”, vorneweg Intellektuelle, Studenten, Journalisten. (p167)

    August Bebel in seiner Grundsatzrede “Sozialdemokratie und Antisemitismus” auf dem Kölner Parteitag der SPD 1893 zu den judenfeindlichen Umtrieben an den Hochschulen: Die Studenten stammten überwiegend aus der vom wirtschaftlichen Untergang bedrohten Schicht kleiner Gewerbetreibender und Handwerker, auf der Flucht an die Universität für “irgendeine Beamtenstellung”. Die bildungsfern aufgewachsenen Studiosi schlügen ihre “Zeit in Kneipen” tot. Im Gegensatz zum “sogenannten germanischen Studententum” haben die jüdischen Studierenden “große Ausdauer, Zähigkeit und auch Nüchternheit”, auch im wörtlichen Sinne. “Im Examen schlagen sie alsdann häufig ihre germanischen Kommilitonen”, und diese versuchten ihrerseits, “durch Gesinnung zu ersetzen, was ihnen an Wissen und Charakter abgeht.” Weil sie in den Juden unangenehme, überlegene Mitbewerber sehen, huldigen sie dem Antisemitismus. (p176)

   
“In seinem 1931 abgeschlossenen Buch ‘Hitlers Weg’ kam der Politikwissenschaftler Theodor Heuss zu dem Schluss, die nationalsozialistische Rassenlehre folge einem ‘erstaunlichen Minderwertigkeitsgefühl’.” (p187)

    Thomas Mann befindet 1937: Aus “einem völkergesellschaftlichen Minderwertigkeitsgefühl” erwuchs die ostentative Überheblichkeit der Deutschen. “Dünkelmütiger Provinzialismus” machte “die Atmosphäre verdorben und stockig” und das Wort “international” zum Schimpfwort. (p188)

    Die biographischen Daten der Gauleiter zeigen diese Repräsentanten der NSDAP nicht als vom sozialen Abstieg bedrohte Kleinbürger, sondern als die aus den unteren Schichten in die nächsthöhere Schicht drängenden Deutschen. Schicht oder Berufsgruppe, der gesellschaftliche Ausgangspunkt, spielen keine Rolle, ausschlaggebend ist allein die Tatsache des Aufwärtsstrebens. Nach einer Untersuchung von Bruno Bettelheim und Morris Janowitz nahm der Antisemitismus in den Abstieg befürchtenden oder sich im Prozess der Mobilität nach oben befindenden Gruppen besonders zu. Wobei die “langsame soziale Aufwärtsmobilisierung mit tolerantem Verhalten verbunden ist, wohingegen stark beschleunigte Mobilität, sei es nach oben oder nach unten, mit deutlicher zwischenethnischer Feindseligkeit einhergeht” und mit bemerkenswerter “allgemeiner Aggressivität”. (p221f)

   
“Die Funktionäre der SPD gehörten zu einer aus der Arbeiterklasse bereits aufgestiegenen Mittelschicht von Angestellten und Beamten. Doch verstanden sie deren prekäre Mentalität am allerwenigsten, weil sie für ihre politischen Bewertungen weiterhin marxistische Denkschablonen benutzten. Sie redeten vom feindlichen Bürgertum, vom edlen Proletariat und abschätzig vom Kleinbürgertum. Auf solche Weise konnten sie nicht einmal ihren eigenen sozialen Status zutreffend beschreiben. Ihnen fehlte ein realitätsnahes Bild von den gesellschaftlichen Umbrüchen, der schnellen Auflockerung und ständig steigenden Durchlässigkeit des sozialen Schichtengefüges, von der ganz andersartigen geistigen und sozialen Struktur der Angestellten, die, durch den Wirtschaftsprozess entscheidend dynamisiert, wirksame politische Kräfte darstellten.” (p222f)

    “Die Jahrgänge 1908 bis 1914 waren die geburtenstärksten der deutschen Bevölkerungsgeschichte überhaupt.” Zwischen 1919 und 1929 stieg infolge der Bildungspolitik die Zahl der Abiturienten sowie Absolventen nichtakademischer gehobener Bildungsgänge stark an, insbesondere zwischen 1929 und 1931. Im Vergleich zu 1914 verdoppelte sich die Zahl der Studenten 1931 auf 140000, darunter 20000 Studentinnen. “Aber seit 1930 standen diese vergleichsweise gut ausgebildeten jungen Leute vor dem beruflichen Nichts.” “Weil der Aufstieg einer christlichen deutschen Familie in typischen Zwischenschritten zwei bis vier Generationen benötigte, kann die soziale Durchlässigkeit des Bildungswesens nicht an der Quote studierender Arbeiterkinder abgelesen werden. .... Es kommt auf die Aufstiegsbereitschaft der Eltern an. .... Diese jungen Leute, die dank des republikanischen Fortschritts jeweils als Erste ihrer Familie in akademische Gefilde vorstießen, fühlten sich in der neuen sozialen Rolle notwendigerweise unsicher. Sie zweifelten an ihren Fähigkeiten, die Herausforderungen zu bestehen, ein Grundgefühl, das mit der Wirtschaftskrise ins schwer erträgliche gesteigert wurde.” Den 1931 etwa 325000 berufstätigen Akademikern standen 150000 Anwärter auf akademische Berufspositionen gegenüber. “Bei den Reichstagswahlen 1930 verbuchte die NSDAP 18.3 Prozent der Stimmen für sich, im selben Jahr erreichte der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund bei den Wahlen zu den Studentenvertretungen 34.4 Prozent.” (p223ff - siehe auch oben Friedrich August von Hayek)

   
Die Studenten sollten als Werkstudenten die Klassengrenzen überwinden, “die Fäden zwischen Hörsaal und Grube” knüpfen. Goebbels gab ca. 1930 die Parole aus: “Unendliches muss bis dahin zertrümmert und vernichtet sein. .... Stürzen sie die alten Altäre um! .... Das Ende wird der neue Mensch sein.” Wer den neuen Menschen erschaffen will, legt sich mit der Staatsgewalt an. (p226f)
    Privates Glück galt als spießig. Hitler im Wahlkampf im Sommer 1930: “Die bürgerliche Schwäche wird abgelöst werden vom deutschen Willen.” Die Nachkriegsjugend von links bis rechts hatte den Kampfruf: Weg vom bürgerlichen Liberalismus, vom Individualismus, hin zum Kollektivismus! “Die 2,5 Millionen Erstwähler des Jahres 1930 gehörten den geburtenstarken letzten Vorkriegsjahrgängen an. Sie waren unter schwierigen Umständen, kriegsbedingt zumeist vaterlos, groß geworden und wollten zu einem erheblichen Teil in die neuen Mittelschichten aufsteigen.” Die Repräsentanten der NSDAP waren in der Regel unter 40 Jahre alt und traten als jung gebliebene Kämpfer auf. (p292)

    “Hitler machte den sozialen Aufstieg des arischen Deutschen zum Schwerpunkt seines Redens und Werbens. Er forderte nicht die Herrschaft des Proletariats, sondern die des entproletarisierten, seinen Führern vertrauenden Volkes. Er versprach einen allein dem Volkswohl verpflichteten Staat, der alle Feinde fernhalten und in dem Hand- und Kopfarbeit gleichermaßen geachtet werde. Hitler stellte die nationale und die soziale Frage als Probleme dar, die ursächlich auf dasselbe deutsche Erbübel, die innere Zerrissenheit, zurückzuführen seien. Folglich konnten beide Fragen nur im Verein - unter nationalsozialistischem Vorzeichen - gelöst werden. Dazu mussten diejenige weichen, die den Einigungsprozess angeblich hintertrieben: allen voran die Juden und - weniger konkret - die internationalen Sozialisten.” (p234)

    “Die Deutschen folgten nicht alle und nicht sofort dem Nationalsozialismus. Zwischen 1920 und 1932 warben verschiedene Weltanschauungsverbände um die Massen, doch konstruierten sie ihre Glaubensbekenntnisse aus vier gemeinsamen Elementen:” 1. Welterklärung aus einem einzigen, stark vereinfachten Prinzip; 2. strikte Abgrenzung gegen das als feindlich angesehende Außen; 3. Die Gefolgschaft, arm oder von Armut bedroht, wird zur erwählten, überlegenen Großgruppe erhoben; 4. Versprechen eines glorreichen Morgen, zu erobern nach kurzem und notfalls opferreichem Endkampf. (p236f)

    Hitler folgte dem Prinzip der permanenten Aktion. Mittels ständiger politischer und dann militärischer Beschleunigung gelang es den Führern der nationalsozialistischen Revolution, ihre Macht zu wahren. “Fortgesetzte Massenmobilisierung, Drohungen, künstlich herbeigeführte Krisen, Propagandaschlachten, Krieg und Expansion erzeugten ein Tempo, das Schwindel, Angst, Glücksgefühl und Abstumpfung bewirkte. Den Menschen verging Hören und Sehen. In jenen Jahren funktionierte die deutsche Gesellschaft nach dem Prinzip des Kreisels, der schnell und fortwährend gedreht werden muss, um das Gleichgewicht zu halten.” (p242)

    “Trotz der im internationalen Vergleich exorbitanten Zinsen floss seit 1930 kein ausländisches Kapital mehr ins Land; die überwiegend kurzfristigen Kredite und dann folgend auch bewegliche inländische Kapitalien wurden abgezogen. Deutsche Anleihen stürzten an der New Yorker Börse von 90 auf 30 Prozent ihres Emissionskurses. Das internationale Vertrauen in die wirtschaftliche und politische Zukunft der ersten deutschen Republik brach zusammen.” Der Höhepunkt des Kapitalabflusses liegt unmittelbar nach der Reichstagswahl vom 14sep1930. Die Steuereinnahmen gingen dramatisch zurück. (p246)

   
“Unter dem Druck der Nationalsozialisten mischte die KPD ihrem Programm zunehmend volkskollektivistisches und nationalistisches Gedankengut bei. Sie begann, die Arbeiter ihrerseits zu nationalisieren und damit auf das Dritte Reich einzustimmen.” (p254)

    Es wurde eine neue Moral hervorgebracht, die Diskriminierung, Raub und Mord rechtfertigte. 1. wurden mit dem Begriff Rasse Menschengruppen auf die Stufe von Tieren gestellt; 2. wurde behauptet, es gebe gute und schlechte Rassen; 3. müssten deshalb die guten geschützt werden, notfalls mit Kampf und Ausmerzung, weshalb sich die gute Rasse auf das Recht der Notwehr berufen könne; 4. gebiete der Rassenkampf Härte gegen so genannte Erbkranke in den eigenen Reihen; 5. legitimierte und verstärkte die Aggression gegen die schwächsten Mitglieder der eigenen Rasse die Aggression gegen Fremdrassige; 6. dienten Schutz und Höher-Zucht der eigenen Rasse dem großen Ziel der dauerhaften Erbgesundheit aller Gruppenangehörigen und damit dem Lebensglück der Nachkommen: Utopien heiligen die Mittel und bilden die Basis für “höheres Recht”; 7. verheißt die Rassenlehre den Gewinn sozialen Gleichklanges einer aus ethnisch gleichartigen Individuen zusammengesetzten Nation. Unter diesen Gesichtspunkten wurde die Erb- und Rassenhygiene als Akt des Selbstschutzes und der Selbstreinigung propagiert. “Wir werden gesunden, wenn wir den Juden eliminieren”, meinte Hitler 1942. (p263f)

    Der Einwand des “anständigen Juden” wird von dem Mediziner, Anthropologen und Rassenhygieniker Eugen Fischer 1934 beantwortet mit “Ist das Opfer zu groß, wenn es gilt, ein ganzes Volk zu retten?” Ähnlich der fiktive “ Erretter Österreichs”, Dr. Schwertfeger, in Hugo Bettauers Roman “Stadt ohne Juden” von 1922. (p264f)

    “Die mit der Rassenhygiene kombinierte Erbhygiene führte zunächst zu rücksichtslosen und mörderischen Eingriffen am eigenen Volkskörper. Sie muss als massive Autoaggression verstanden werden. Die Neigung zur Selbstverstümmelung erscheint als eine Folge mangelnden Selbstwertgefühls. .... Autoaggressives Verhalten ist häufig mit der Aggression gegen andere gepaart. So gesehen härtete das nationalsozialistische Deutschland die Bereitschaft zum stillschweigenden Einverständnis, andere Rassen auszurotten, im Feuer der erbhygienischen Selbstausmerze.“ Die dem kalten Morden entgegenstehende weithin christlich vorgeprägte Moral der Deutschen musste überwunden werden. So wurde die Sterilisierung von eigens geschaffenen, mit einem Juristen und zwei Ärzten besetzten Erbgesundheitsgerichten in nichtöffentlicher Sitzung angeordnet. (p273f)

   
“Punktuell bestätigten Hitler und Goebbels immer wieder und absichtsvoll die Ahnung, dass mit den Deportierten Furchtbares geschehe .... Das vage Wissen und das starke Nichtwissenwollen machten die Volksgenossen moralisch endgültig reglos.” Thomas Mann analysierte im November 1941 in einer von der BBC an die Deutschen ausgestrahlten Rede: “Ja, Grauen vor diesem Tag ist am Platz, und eure Führer nutzen es aus. Sie, die euch zu all diesen Schandtaten verführt haben, sagen euch: Nun habt ihr sie begangen, nun seid ihr unauflöslich an uns gekettet, nun müsst ihr durchhalten bis aufs Letzte, sonst kommt die Hölle über euch.” (p276)

    “Aus historischen Gründen fanden die Deutschen nur schwer zur Nation. .... Wie anders die weit zerstreuten Juden. Sie besaßen, was die Deutschen so sehr vermissten - die aus christlicher Sicht bedeutendsten Mythen überhaupt. .... Als wurzellos verschrien, hatten sie, wonach die Freunde des Germanismus so versessen gruben: tiefe, bedeutsame Wurzeln. .... Wer der ewige Jude war, das stand fest. Der ewige Deutsche wurde seit 1800 gesucht.” (p278f)

   
“Zur Freiheit gehört das Risiko. Das ängstigte die christliche Mehrheit. Ihre alten Gewissheiten zerbrachen unter der Wucht der wirtschaftlichen Freiheit und der industriellen Revolution. .... Dagegen hatten die Juden .... nichts zu verlieren, in der Zukunft alles zu gewinnen. Materiell zunächst rückhaltlos, verlegten sie sich auf geistige Kapitalien, auf Bildung und Ideen, und gelangten so mit beachtlichem Schwung zum Materiellen Erfolg. Sie schritten voran. Die Juden hatten es in Deutschland nicht mit einem Gegner zu tun sondern mit fünf unterschiedlich motivierten antijüdischen und daher emanzipationsfeindlichen Strömungen:” 1. dem traditionellen, religiös begründeten Vorurteil; 2. der Fortschrittsangst alter ständischer Käfte; 3. dem auf staatliche Protektion statt auf Freiheit erpichten Bürgertum; 4. der Fremdenfeindlichkeit deutscher Nationalrevolutionäre und deren Festlegung des Begriffes Volk auf exklusive Einheit von Religion, gemeinsamer Geschichte und Sprache; 5. den reformerisch gesinnten deutsch-christlichen Romantikern. “Die unterschiedlichen Spielarten der Judengegnerschaft verbanden Veränderungsfurcht, mangelndes Selbstvertrauen und die Angst vor Konkurrenz.” (p280f)

   
“Die Humboldt'sche Bildungsreform hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Universitäten und Gymnasien gestärkt, drang jedoch bis 1875 nicht zu den Volksschulen durch. Dank ihres Bildungsvorsprungs und ihrer geistigen Beweglichkeit konnten jüdische Kinder die gut ausgebauten höheren Schulen und Hochschulen des Landes nutzen, während christliche Kinder infolge mangelhaften Elementarunterrichts und elterlichen Vorbilds bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts immer weiter zurückfielen. Viele Juden kannten die Risiken und Chancen der Geldwirtschaft und des Handels, ebenso die Lebensbedingungen in den rasch expandierenden Städten, während die meisten Christen als kaum alphabetisierte, stellungslos gewordene Landarbeiter, verarmte Bauern oder heruntergekommene Handwerker zuzogen, um als Ungelernte in der Industrie zu arbeiten. .... Die Mehrheit der Unbeholfenen.” (p281f)

   
“Thomas Mann fasste das Problem 1945 so zusammen: ‘Der deutsche Freiheitsbegriff war immer nach außen gerichtet; er meinte das Recht, deutsch zu sein, nur deutsch und nichts anderes.’ Er beinhaltete nicht die Freiheit der Menschen, sondern die ‘für das deutsche Vaterland’. Er war Ausdruck von ‘völkischem Egoismus’ und ‘militantem Knechtssinn’.” (p284)

    “Sämtliche antisemitischen Vereine und Parteien, die in Deutschland zwischen 1880 und 1933 auf den Plan traten, setzten auf wirtschaftlichen und politischen Protektionismus. Sie verlangten nach ‘Gerechtigkeit’ für die christliche Mehrheit und forderten die ‘Gleichstellung’ der Zurückgebliebenen. Vom Staat erwarteten sie, dass er materielle Sicherheit und Gerechtigkeit über die Massen ergieße. Er sollte das Volkswohl garantieren, den gemeinen Mann von allen Unbilden und Wirtschaftskrisen, vor Lohndumping, ausländischer Konkurrenz und Juden schützen. Die Propagandisten des Antisemitismus verhießen das Glück in der Gemeinschaft. Sie verteufelten den Individualismus. Sie schürten nicht allein Ressentiments gegen Juden - sie nahmen einfachen Deutschen den Ansporn, ihr Glück selbst zu versuchen, Selbstvertrauen zu entwickeln, kurz: den Juden nachzueifern.” (p285f)

    Auch in den Bürgerkriegen in der zusammenbrechenden kommunistischen Sphäre unserer Zeit ist die gefährliche Mischung aus zwei Komponenten erkennbar: dem nationalen und dem sozialen Gleichheitsprinzip. “Dieser Erfahrung entspricht, dass rechtsradikale Parteien westlicher Länder ihre Erfolge fast immer in zuvor linken Hochburgen erzielen.” Der soziale Egalitarismus blieb stets mit Zielen für das nationale Kollektiv verbunden. “Kaum ein Sozialist wollte ein künftig vergesellschaftetes Unternehmen zugunsten der Armen in anderen Staaten oder Kontinenten arbeiten lassen, kaum je auf Vorteile verzichten, die sich der Ausbeutung anderer Menschen und Länder verdanken.” (p290)

   
Als Quelle des Menschenhasses erachtet Kant in seiner Abhandlung “Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre” das menschliche Gefühl, “unser eigenes Wohl durch das Wohl anderer in den Schatten gestellt zu sehen”. .... “Zum Neid gehört das uneingestandene Wissen des Neiders vom eigenen Versagen - die Scham. Der 1933 zum Staatsziel erhobene Antisemitismus nahm dem einzelnen Deutschen die Scham und die Verantwortung ab. Die Form der Diktatur eignet sich dafür besonders gut. Das geregelte behördliche und gesetzlich verbrämte Handeln erlaubte dem gewöhnlichen Bürger, mit verschränkten Armen unauffällig hinter der Gardine zuzuschauen. Das erklärt, warum die meisten Deutschen zwar nicht zur direkten Gewalt gegen Juden schritten, aber die staatlich geordnete Entrechtung für legitim erachteten.” (p293f)

    “Aus den genannten Rahmenbedingungen wird erklärbar, warum die NSDAP besonders junge Leute als Mitglieder anzog, warum die städtischen Mittelschichten durchschnittlich mit etwa 40 Prozent zu Hitlers Wahlerfolgen
beitrugen, und die Protestanten, die sich traditionell sehr viel aufstiegsorientierter verhielten als die Katholiken, doppelt so häufig die NSDAP wählten wie ihre katholischen Mitchristen. Begreift man sozialen Aufstieg so, wie er seinerzeit betrieben wurde, nämlich als Familienprojekt, dann erklärt das, warum etwa gleich viele Männer und Frauen die NSDAP wählten. Im Gegensatz dazu wurde die ebenfalls radikale KPD überwiegend von Männern gewählt.” (p297f)

    Für sozial zumindest mitmotivierte ethnische Konfliktlagen folgt die generelle Einsicht - “und das ist auch eine allgemeine Erkenntnis aus diesem Buch: Sobald eine ökonomisch und sozial rückständige Majorität aufholt und der Abstand zur schneller vorangeschrittenen Minorität schrumpft, schwindet nicht etwa die Gefahr von Hass und Gewalt - sie wächst.” (p299)
[Interessant in diesem Context auch die Verortung des Phänomens Antisemitismus durch Hannah Arendt
hier]


Weniges aus       Götz Aly
Europa gegen die Juden - 1880-1945 (S. Fischer, Frankfurt/Main, 2017)

Aus dem “Kirchlichen Bericht aus Polen für den Zeitraum Juni bis Mitte Juli 1942” zur allgemeinen Situation, gesandt an die Londoner Exilregierung: “Was die jüdische Frage angeht, .... so haben die Deutschen - neben so viel Unrecht, das sie unserem Land schon antaten und weiterhin zufügen - in dieser Hinsicht einen guten Anfang gemacht. Sie haben eine Möglichkeit aufgezeigt, die polnische Bevölkerung von der jüdischen Plage zu befreien und uns den Weg gewiesen, der - natürlich weniger grausam und weniger brutal, doch konsequent - einzuschlagen ist. ....”
Im Januar 1942, zu der Zeit, als die Deutschen die ersten Gaskammern in Betrieb nahmen, verkündete die katholisch orientierte Zeitschrift Naród (Volk): “Wir bestehen darauf, dass die Juden ihre politischen Rechte und das Eigentum, das sie verloren haben, nicht zurückerhalten. Darüber hinaus müssen sie das Land verlassen.” Herausgegeben wurde Naród von der christlich-demokratischen Arbeiterpartei. Diese gehörte der polnischen Exilregierung in London an und trat für eine Föderation slawischer Staaten ein. Daraus folgte für die künftige Behandlung der “Höchst akuten Judenfrage”: “Dass wir ganz Mittel- und Südeuropa von dem jüdischen Element zu säubern haben. Was darauf hinausläuft, etwa acht bis neun Millionen Juden zu entfernen.” (p336f)

Auch im Klassenkampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie erheben sich die weniger Beweglichen im Namen einer als Gleichheit verstandenen Gerechtigkeit gegen die Erfinderischen, Geschickten und Erfolgreichen. Daher ist es kein Wunder, dass die Übergänge zwischen sozialistischen und nationalistischen Formen des Kollektivismus bis heute fließend bleiben. .... Gemeinsam verachteten und bekämpften die auf dem europäischen Kontinent regierenden Parteien den Liberalismus britischer Prägung. Sie vergötterten den Begriff Volk und schmähten den Individualismus als Überbleibsel einer vom nationalen Gemeinschaftsgeist noch unerleuchteten Epoche. (p350)

.... Begleitet von Boykottaktionen ergingen dutzende Gesetze und Verordnungen, mit denen die Juden zum Vorteil der deutschen Mehrheit, genannt deutsches Volk, wirtschaftlich schwer geschädigt wurden. .... (p352, Hervorhebung durch men-kau-ra)

Nicht nur autoritär, totalitär oder diktatorisch organisierte Staaten brüteten den am Ende mörderischen Judenhass aus. “Auch die Parlamente und Regierungen demokratisch verfasster Nationalstaaten folgten der ethnokollektivistischen Doktrin mit beachtlicher Selbstverständlichkeit. Nach Ulrich Beck gehorchten sie nur allzu oft dem Prinzip: ‘Grundrechte sind national teilbar, sie können den National-Gleichen den Volksmitgliedern - zu- und allen anderen Menschen abgesprochen werden.’” Ein Beispiel dafür, wie der Antisemitismus aus der Liberalisierung erstehen kann, was paradox erscheinen mag, ist die Wahlrechtsreform 1896 im österreichischen Kronland Böhmen und Mähren, welche nahezu allen Männern [und damit auch den Juden] zum Wahlrecht verhalf, damit die Ausdifferenzierung der tschechischen Politik beschleunigte und den Antismitismus zu einem der wichtigsten Themen machte. “ ‘Den zentralen Quell des tschechischen Antisemitismus’ bildeten ‘der Widerstand gegen liberale Gesellschaftskonzeptionen und freie Marktwirtschaft’, die in der agilen jüdischen Minderheit personifiziert wurden.” (Michal Frankl) (p353ff)

Die soziale Herkunft derjenigen, die 1905 Juden übefielen, erschlugen und beraubten, führte den Literaturwissenschaftler und Philosophen Michail O. Gerschenson zu einer verzweifelten Einsicht. Entschieden warnte er vor dem modischen Vertrauen vieler jüdisch-sozialistischer Intelligenzler in die Massen ungebildeter Arbeiter und Bauern. So als hätte er die Massenmorde an Juden vorausgesehen, die sich zwischen 1917 und 1920 auf dem Boden des untergehenden Zarenreiches im Zeichen der Befreiung ereignen würden, schrieb er 1905: “In Anbetracht unserer Lage ist es nicht nur unmöglich, ‘mit den Massen zu verschmelzen’, im Gegenteil: Wir müssen diese Massen mehr fürchten als alle möglichen Strafmaßnahmen der Staatsgewalt. Wir sollten der Regierung Lob und Dank entgegenbringen, weil es letztlich nur deren Bajonette und Gefängnisse sind, die zwischen uns und der Volkswut stehen.” (p356f)

Die umstandslose Bereicherung, das Hoffen auf schnelleres soziales Vorankommen motivierten die Gewaltpolitik im 20. Jahrhundert generell [d.h. z.B. auch den Genozid an den Armeniern], in erheblichem Maße auch im Falle der Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. (p357)

Die Reibungsflächen zwischen [(jüdischem) Mittelstand in] den Städten und dem exquisit agrarischen Galizien vergrößerten sich rasch, sobald die galizischen Bauern massenhaft begannen, vom Dorf in die Städte zu ziehen, und dort auf diese Konstellation trafen: “Er kommt als homo rudis, zum Teil als unkultivierter Bauernschädel und trifft hier auf einen intelligenten, überlegenen Mittelstand, den er im Konkurrenzkamf schwer schlagen kann.” Da mit den Juden die Menschengruppe klar abgrenzbar war, konnte “der Konkurrenzneid eine viel schärfere Form annehmen” (Joseph Tennenbaum) (p364)

“Neben dem in so vielen Ländern des Kontinents anschwellenden Antismitismus bedurfte der Mord an den europäischen Juden einer noch wichtigeren zentralen Voraussetzung: des Zweiten Weltkriegs selbst mit seiner vernichtenden Wucht. Anders als für den Antisemitismus trug Deutschland dafür die alleinige Verantwortung .... Der gewollte und von den deutschen Eroberern bewusst herbeigeführte Zerfall der gewöhnlichen politischen Herrschafts- und Organisationsstrukturen schuf die Grundlage für exzessives Plündern und Morden .... Als Goebbels im Frühjahr 1942 über das ‘ziemlich barbarische’ Verfahren zur Endlösung der Judenfrage schrieb, bemerkte er zu den von Deutschland selbst geschaffenen Voraussetzungen: “Gott [!!!] sei Dank haben wir jetzt während des Krieges eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die uns im Frieden verwehrt sind. Die müssen wir ausnützen.’ ”

“Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Antisemitismus in den meisten europäischen Staaten ein Faktor politischen Handelns. Primär stiftete er eine kollektivistische, klassenübergreifende Gemeinschaft, vollgesogen mit Missgunst und Versagensangst der jeweiligen Mehrheiten. Als sekundäres Produkt mangelhaften Selbstvertrauens entstand daraus das prahlerisch aufgeplusterte halbstarke Geschwätz von den ‘echten’ Russen, Rumänen oder Magyaren, von der überlegenen Rasse, von den ewigen Werten, den heroischen Großtaten, der geschichtlichen Erhabenheit des jeweiligen sogenannten Staatsvolks. Ein extremes Beispiel dafür boten die gedemütigten deutschen Kriegsverlierer mit ihrer Selbstnobilitierung zur ‘Herrenrasse’. Insofern hatte die ‘Rassentheorie’ einen realen Bezug: Sie half den Mehrheitsvölkern dabei, Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren. Die Angehörigen der nationalen Mehrheiten verachteten die Juden nicht als ‘Untermenschen’, auch wenn in Nazideutschland solche Schlagwörter gebraucht wurden. Vielmehr bewunderten und bekämpften sie diese, um im Bild zu bleiben, als Übermenschen. In seiner Studie ‘Das jüdische Jahrhundert’ verzichtet Yuri Slezkine daher konsequent auf das Erklärungsmodell Rassenantisemitismus. Stattdessen hebt er auf die Tatsache der Diskriminierung ab. Nach seiner Analyse bildeten sie ‘eine überaus erfolgreiche Minderheit in wenig erfolgreichen europäischen Nationalstaaten.’ ”




Weniges aus       Deborah Feldman
Judenfetisch (Luchterhand Literaturverlag 2023)

Jüdische Gemeinden in der Diaspora interessieren sich für eine Sache: das Überleben, und zwar so gut, wie es nur geht. Mit strategischem Geschick und politischer Organisation erreichen sie mal mehr, mal weniger, was sie von der Gesellschaft brauchen, um ihren Lebensweg gebührlich und unbeschwert zu verfolgen. Hier in Israel geht es aber längst nicht mehr um diesen Pragmatismus, hier fördert man keine gegenseitige Toleranz zwischen den Frommen und ihrer politischen Herrschaft. Diese Fraktion der Gesellschaft ist in einen Heiligen Krieg mit der Welt um sie herum verfangen, sie ist auf Mission, diesen Staat von innen auszuhöhlen. So lautet ihr religiöser Auftrag.
Es scheint für viele liberale Juden immer noch schwer zu glauben, dass sie für Ultra-Orthodoxe ein größeres Feindbild darstellen, als die vermeintlich fremden Nichtjuden, die früher als gemeinsamer Nenner der Unterdrückung galten. ....
.... Ein Nazi ist einer, der Juden auf Grund ihres Judentums auslöschen will, sagt der orthodoxe Jude nüchtern; aus dieser Perspektive folgt, dass säkulare Zionisten nach etwas Ähnlichem trachten: Sie wollen Orthodoxe auf Grund ihres praktizierten Glaubens vom Bild des Judentums verschwinden lassen (p93ff)

Die Diskussion um rassistische Gewalt ist auch ein tröstliches Narrativ für eine Mehrheitsgesellschaft: Man kann sich einbilden, dass der Rassismus einen selbst nicht träfe (p170)

Der Antisemitismus darf das Jüdischsein bestimmen, und alles, was nicht darunterfällt, ist also das Nicht-Jüdischsein, es gehört nicht zu dem von Außen auferlegten Narrativ .... Eben, Juden, die keinen eigenen Bezug zu ihrem Judentum haben, denen bleiben nur die Bezüge der Nicht-Juden. Und die sind meistens, wenn nicht offen antisemitisch, zumindest vom Antisemitismus geprägt (p194ff)

„Du hast dich schon mit dem Extremismus im Islam auseinandergesetzt, ich tue das Gleiche mit dem Judentum. Und auf beiden Seiten wächst dieser ungeheuer schnell. Und je mehr Extremisten es gibt, desto weniger Gemäßigte. Die Wahrscheinlichkeit einer Annhäherung ist nicht größer geworden, sondern kleiner
... und sie wird bald völlig verschwinden. Da fühlt es sich schon sehr naiv an, sich mit linken Juden und säkularen Arabern zu verbünden, um Protest-Aktionen zu veranstalten. Diese Stimmen sind im Prinzip irrelevant, weil sie keinen Bezug zur politischen und kulturellen Realität haben.“ ....
Alles nur noch eine Frage der Zeit, erkläre ich ihr, bis diese Menschen die demographische Mehrheit bilden (p202ff)

Selenskyj ist für Israel kein Jude, weil er sich mit einem anderen Land stärker identifiziert. Er selbst könnte hierher flüchten, aber er möchte bekanntlich keine Mitfahrgelegenheit, sondern Munition. Die Israelis haben jede Menge. Wenn sie in einer Sache gut sind, dann im Krieg. Israel schützt seine Juden, jeden Tag, behauptet man. Aber eben nur seine Juden. Alle anderen, die sich von Israel körperlich fernhalten, sind keine wahren Juden, die sind nur Nutzjuden, die dafür gut sind, Israel im Ausland zu verteidigen, aus einem fehlgeleiteten Loyalitätsgefühl heraus, das ganz offensichtlich einseitig ist.
Ich bin für die Juden in Israel nicht eine von ihnen. Dafür wird es viele Gründe geben, und nicht alle sind feindseliger Natur. Auch im Land selbst gibt es welche, die sich nicht dazuzählen oder nicht dazugezählt werden. Und an dieser Einstellung lässt sich, so fürchte ich zumindest, schwer etwas ändern.
Im Ausland ist es nicht so leicht, mir mein Jüdischsein abzusprechen, wie in Israel, denn ich besitze die fragwürdige Währung des erlebten Judentums, und zwar in ihrer fast extremsten Form. Viel eher versucht man mich auf Grund dieser Erfahrung für ungültig erklären zu lassen, oder noch härter, als eine sich selbst hassende Jüdin abzustempeln, die Schlimmste unter den schlimmsten Antisemiten sozusagen. Die Idee dahinter ist, dass ich nicht anders kann, als das Judentum zu verachten, da ich es in seinen problematischen Kernfacetten erlebt habe. Meine Gegener sehen es sogar als logisch an, das heißt, auch sie denken, sie würden in meiner Situation zu Judenhassern werden. Entsprechend dieser Logik scheint man sich vom Antisemitismus nur retten zu können, indem man sich vor der Wahrheit über das „Judentum“ abschirmt. Ist das nicht eigentlich der echte Antisemitismus? (p208)

Die Orthodoxie, die wir heute in der westlichen Welt kennen, ist zum großen Teil neu. Überhaupt ist das rabbinische Judentum, das in Europa gegründet wurde und auf Grund politischer und sozioökonomischer Macht als maßgeblich in der gesamtjüdischen Welt betrachtet wird, nur deshalb entstanden, weil Menschen, die sich als Juden bekannten, eine Religion brauchten, die auch ohne Land und Tempel funktionierte. Deshalb: People of the Book statt People of the Temple.
In den Büchern schrieben diese Rabbiner über das Schicksal der Juden, das nach der Zerstörung des zweiten Tempels folgte. Sie erzählten von einem Pakt mit Gott, der ganz am Anfang des Exils geschlossen wurde, der drei Schwüre beinhaltete: Wir werden nicht versuchen, das Land selbst zurückzuerobern; wir werden uns den Autoritäten im Exil bedingungslos unterwerfen; wir werden uns immer von den fremden Völkern unterscheiden. Dies klingt sicherlich nicht demokratiefördernd, aber sehr identitätsstiftend.
Man sagt in Deutschland, die Aufklärung habe jüdische Wurzeln. Juden sagen, die Aufklärung sei in Deutschland verwurzelt. Vielleicht ist es auch ein und dasselbe. Jedenfalls ist es diese Geschichte der Aufklärung, die mich nach Deutschland zog. Es ist die einzige Geschichte, die mir eine Möglichkeit bot, eine jüdische Identität mit den mir neuen, demokratischen Werten zu vereinbaren. Auch bei mir wirkt der Reiz der Vergangenheit sehr stark nach (p221)

Heute ringen jüdische Gemeinden damit, der jüngeren Generation eine Identität zu vermitteln. Wenn es keine Religion mehr gibt, dann gibt es nur noch entweder Israel oder den Holocaust. Die Tradition an sich reicht selten ohne die religiöse Überzeugung. Die meisten Juden, die außerhalb Israels auf die Welt kommen, werden zunehmend davon absehen wollen, Israel zu ihrem Hauptidentitätsanker zu machen. Ebenso sieht man, dass jüngere jüdische wie nicht-jüdische Generationen sich immer weiter vom Holocaust als gesellschaftliche Identitätsfläche entfernen. Bleibt dann überhaupt etwas? Das ist eine Frage, die wir uns überall in der Welt stellen können. Bleibt das Seil straff? [bezieht sich auf eine Geschichte weiter oben im Buch] Und wenn nicht, in wessen Hand finden wir es, wenn das Tauziehen vorbei ist? (p225)

[Im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2007 und MeToo/Weinstein/Epstein] verstand ich, dass es nur die jüdischen Namen waren, die in diesem Zusammenhang hervorgehoben wurden, obwohl es so viele berühmte und mächtige Nicht-Juden in der Finanzindustrie gab, die ebenfalls Dreck am Stecken hatten. War es nicht bei Weinstein genauso gewesen? (p228)

Man zitiert gerne Mark Twains Aufsatz "Concerning the Jews", wenn man über die besondere Fähigkeit der Juden redet, sich als diskriminierte Minderheit verhältnismäßig oft in die höchsten Kreise zu begeben. Also, wenn man darauf stolz ist. Kritische Beobachter dieses Trends finden weniger schmackhafte Zitate. Aber im Prinzip läuft es auf dasselbe hinaus. Man vermutet, im Guten wie im Schlechten, dass Juden eine besondere Minderheit sind, weil sie sich immer unter den Privilegiertesten zu positionieren wussten. Hat niemand bedacht, dass dies von den Eliten auch genauso gewollt sein könnte - damit sie, wenn alles auffliegt, einen bestens geeigneten Blitzableiter hätten, auf den sie die ganze Wut würden konzentrieren können? Es ergibt doch Sinn, Juden in Branchen willkommen zu heißen, in denen regelmäßig geschwindelt und gelogen wird, sei es mit Zahlen oder mit Bildern. Dann hat man welche, auf die man zeigen kann, wenn jemand die Lügen aufdeckt. Diese Neigung, Juden in prominenten Kreisen zu öffentlichen Figuren zu machen, könnte man fast als etwas antisemitisches sehen, als eine Verschwörung wie in den guten alten Zeiten, als die Sündenböcke auf perfide Art gezielt gesucht wurden (p229)

Tatsächlich kenne man nur wenige Konvertiten, die es mit ihrem Status nicht zu großer Aufmerksamkeit gebracht hätten .... Und schrumpfen die Gemeinden so bedrohlich, weil es den Konvertiten nicht um das Wohl der Gemeinden geht, sondern um ihr eigenes? .... Ist es einfach eine weitere Zerstörung jüdischen Lebens, wie Rachel glaubt, diesmal subtiler und hinterhältiger, aber ein Verbindungsglied in einer alten Kette der perfiden Verdrängung? .... das Zitat eines eigentlich jüdischen Rabbiners in Deutschland, der die Lage so beklagte: Erst haben sie uns vernichtet, nun werden wir einfach ersetzt (p236f)

Er erzählte, er lade eben viele zu sich ein, andere Russen, die geflohen sind. Ich kann diese Bedürfnisse eines Exilanten nachvollziehen. Ich denke an die Juden, die nach Amerika mussten, und wie sie oft als Deutsche argwöhnisch betrachtet wurden. Ich möchte nicht das Gleiche tun.
„Ich bin jüdisch“, erklärt mit der Nachbar plötzlich, als wäre diese Tatsache eine angemessene Replik. „Ich habe einen israelischen Pass. Ich habe viele ukrainische Freunde.“
Da ich um diese Information nicht gebeten habe, trifft sie mich überraschend.
"Ah hah."
„Ja! Kennst du eine Hebräisch-Schule in Berlin? Ich möchte unbedingt Hebräisch lernen.“
Ich kann nicht anders, als darüber nachzudenken, warum ein Russe mit jüdischen Papieren trotz einem daraus folgenden israelischen Pass nach Berlin will, genau wie die jüdischen Flüchtlinge aus der Ukraine, die ich kenne, die auf Grund ihrer jüdischen Herkunft die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen, nicht die israelische.
Alle reden immer von Israel, aber bleiben tun sie hier. Wie erklären sie es sich selbst?
„Das sind Judenscheine“, schreit O. auf, die ich bei der Geburtstagsparty einer alten Feundin kennenlerne und die meine Berichterstattung über meinen russischen Nachbarn ebenfalls skeptisch sieht, „und ich weiß ganz genau, wo man die bekommt. Es gibt da diese Läden, meistens an den jüdischen Friedhöfen in den ehemals sowjetischen Ländern, da kann jeder ein Papier kaufen, das sein Judentum bescheinigt, dafür kann man, muss man aber nichts vorweisen. Warum denkst du, dass es inzwischen so viele Juden in Deutschland gibt? Das ist deren Eintrittskarte in den Westen, und dafür kriegt Deutschland statistisch gesehen den jüdischen Anteil seiner Bevölkerung auf einen Schlag wieder. Da schaut kein Mensch, ob diese Papiere überhaupt etwas belegen. Ich wette mit dir, dein Nachbar hat sich auch so einen Schein besorgt.“
Ich bin empört und drücke meine Zweifel aus. Egal wie der Nachbar sich auch benimmt, ich kann kaum glauben, dass jemand ohne jüdischen Bezug sich wirklich so einen Schein besorgen würde, um sich dann im Ausland als Jude vorzustellen. Das scheint mir ein zu großer Aufwand. Aber O. erzählt, sie habe dreißig Jahre lang für die jüdische Gemeinde gearbeitet, und zwar in einer leitenden Position; sie kenne die Politik auswendig, sie wisse alles über die Geheimnisse dieser Welt, und sie versichert mir: Die Mehrheit dieser Sowjetjuden wäre gar keine, und bei den Russen und Ukrainern, die gegenwärtig nach Deutschland strömen würden, sähe es noch schlimmer aus. War das der Grund, warum diese alleinerziehende Mutter, deren Sohn mit meinem in die Schule ging, so erpicht darauf war, mir die Beweise ihres Judentums zu zeigen? Weil sie nicht wollte, dass ich dächte, sie wäre eine dieser Opportunistinnen, die plötzlich jüdisch sein wollten, weil es passte?
Das Einzige, was ich aus der Geschichte herleiten kann, ist die ungeheure Ironie eines Judenscheines, der vorher einen Menschen in höchste Gefahr brachte und heute wie eine VIP-Karte funktioniert, die sonst verschlossene Tore öffnen kann. Diese Umkehrung der Verhältnisse ist kaum zu glauben (p257)

Anfang 2023 treffe ich zufällig auf den internationalen Rechtsanwalt und Autor Philippe Sands. Früher hatte er sich noch sehr kritisch zur Ukraine geäußert, jetzt sieht er die Lage anders. Er sagt mir, tatsächlich habe sich im letzten Jahrzehnt sehr viel geändert, und das Land würde sich aufrichtig aus einem Demokratieverständnis heraus darum bemühen, seine Vergangenheit aufzuarbeiten und für Transparenz und Gerechtigkeit zu sorgen. Und ja, natürlich habe Selenskyj für die Juden in der Diaspora wahrlich alles verändert, sagt er.
„Und wie vereint man das mit dem Israel-Palästina-Konflikt?“
„Gar nicht. Es ist ganz klar ein Doppelstandard. Es ist schlichtweg unmöglich, sich einerseits für die Ukraine einzusetzen und andererseits die illegalen Besatzungen Israels schweigend hinzunehmen. Das macht es denen leicht, die von Heuchelei sprechen.“
(p260)

Eines Tages, sage ich zu Philippe, werden sich nur noch die Deutschen um die Geschichte des Holocausts kümmern. Weil die israelischen Juden, die jetzt an die Regierung gekommen sind und alsbald die absolute Macht haben werden, dies als unnötig, ja sogar ungünstig ansehen werden. Die zukünftigen Führer Israels können die moralische Verantwortung, die das Holocaust-Gedenken mit sich bringt, gar nicht gebrauchen. Eher wollen sie sich davon befreien, um sich auch in ihrem Handeln davon befreien zu können (p262)









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