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Physik - eine der drei Urmütter der Wissenschaften

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PHYSIK

Vortrag gehalten im Rahmen der `Berufsbildungstage' an der Freien Waldorfschule Tübingen am 21jul2003



Grundlagen - Meta-physisches - Hintergründiges

Einige gedanken zur Physik - geballte begriffe und impressionen. Ganz wie im universitätsstudium mit der tendenz, zu überfordern. Deshalb: hinterfragen, was nicht verstanden wird, bevor es zu spät ist. Denn, wenn der faden verloren wurde, das nahezu vollständige nicht-verstehen zu offenbaren, wird immer schwieriger. Und frustriert den lehrenden ebenfalls. Also: fragen, nachhaken

In diesem sinne will ich an den anfang meiner ausführungen ein wort Georg Wilhelm Friedrich Hegels aus der Vorrede zur `Phänomenologie des Geistes' stellen:
Die verständige Form der Wissenschaft ist der allen dargebotene und allen gleichgemachte Weg zu ihr, und durch den Verstand zum vernünftigen Wissen zu gelangen, ist die gerechte Forderung des Bewusstseins, das zur Wissenschaft hinzutritt; denn der Verstand ist das Denken, das reine Ich überhaupt; und das Verständige ist das schon Bekannte und das Gemeinschaftliche der Wissenschaft und des unwissenschaftlichen Bewusstseins, wodurch dieses unmittelbar in jene einzutreten vermag ....
Erst was vollkommen bestimmt ist, ist zugleich exoterisch, begreiflich und fähig, gelernt und das Eigentum aller zu sein
[Nachtrag: Wobei nach Immanuel Kant (Kritik der reinen Vernunft) sogar die physik die so vorteilhafte Revolution ihrer Denkart lediglich dem Einfalle zu verdanken hat, demjenigen, was die Vernunft selbst in die Natur hineinlegt, gemäß, dasjenige in ihr zu suchen (nicht ihr anzudichten), was sie von dieser lernen muss, und wovon sie für sich selbst nichts wissen würde. Hierdurch ist die Naturwissenschaft allererst in den sicheren Gang einer Wissenschaft gebracht worden, da sie so viel Jahrhunderte hindurch nichts weiter als ein bloßes Herumtappen gewesen war]
Der anspruch der wissenschaft also ist das umfassende wissen um die welt, erwachsend aus dem alltagsbewusstsein.
Und der weg zur wissenschaft führt immer durch den alltag, die verbindung zur (kinder-)welt des sandkastens muss immer lebendig bleiben. Wissenschaft muss also immer verstehbar bleiben im sinne von rückführbarkeit. Und dies sollten beide seiten des beziehungssystemes `wissenstransfer' stets im auge behalten

Zurück bis beinahe Adam & Eva, in's antike Griechenland: die Physik ist mit Mathematik und Philosophie eine der urmütter der wissenschaften
Die darin sich ausdrückende fundamentalität der Physik zeigt sich heute in der durchdringung der wissenschafts- und arbeitswelt mit Physik
Unter einem bestimmten blickwinkel kann man sagen, der Physiker suche nach den grundlagen der natur, bestimme sinnbildlich `die naturgesetze'; unter anderem vorzeichen ist er ein tiefer schürfender ingenieur, welcher weiter weiß, wo, polemisch brutal ausgedrückt, die blasse bloße anwendung eines vorgefertigten formelwerkes nicht mehr ausreicht, sondern eben `grundlagenforschung' zu treiben ist
Dies ist aber nicht so zu verstehen, als sei die Physik in jeder Beziehung die `prosa' oder die `grammatik' des wissens, die ingenieurwissenschaften (auch diese also WissenSchaft, sic!) die auf deren wissen aufbauende lyrik. Zumindest sind die wege auch in der anderen richtung gangbar: so war beispielsweise Paul Adrien Maurice Dirac, einer der grossen Physiker, von seiner ausbildung her ein elektro-ingenieur, dann mathematiker, und schließlich weltreisender

Die gliederung der Physik erfolgt grundlegend in experimentalphysik, theoretische physik, angewandte physik. Erstere hat das bestreben, aus `mit der natur' angestellten experimenten gesetzmässigkeiten, regelmässigkeiten, unentdeckte möglichkeiten zu deduzieren. Die Theoretische Physik wertet diese und auch andere erkenntnisse aus zu (mathematischen) gedanken- und erklärungsgebäuden, die wiederum vorhersagen erlauben, eine extrapolation des bekannten - solange, bis vorhersage und experiment nicht mehr übereinstimmen - weil entweder das experiment oder aber die theorie unvollständig oder fehlerhaft sind. Hier muss dann entweder die methode (experiment) überarbeitet oder aber die theorie verworfen oder verbessert werden. Die Angewandte Physik beschäftigt sich beispielsweise mit der optimierung von solarzellen. Es gibt also sehr wohl (rück-)wirkungen der einzelnen gebiete aufeinander. Das verhältnis der zweige der physik zueinander ist dabei einer gewissen zyklizität unterworfen. Neue entdeckungen und erkenntnisse erschüttern das wissens/theorie-gebäude und führen nach dem abriss überkommener überzeugungen zu einer verbesserten und erneuerten (an)ordnung des wissens, gefolgt von einer art `barock' und dann einem `rokoko', in welchem auf der grundlage des neuen allerlei anwendungen (spielerisch) erdacht und erprobt werden

Die durchdringung der welt durch die Physik zeigt sich in den begriffen geophysik, umweltphysik, bauphysik, ... selbst: Agrikulturphysik. Physik allerorten, die grundlage der betrachtung der natur. Man kann Pythagoras als den ersten physiker ansehen, und seine erste untersuchung, so wird berichtet, galt der schwingenden saite: der physikalischen grundlage der musik mit ihrer vermittlung der gefühlswelt. Dies führte, am rande bemerkt, später zu einer mathematisierung der tonleiter mit einheitlichen intervallen der größe zwölfter wurzel von zwei, welcher die verschiedenheit der zwischentöne Fis und Ges etc zum opfer fiel.

Die Physik bedient sich der methoden anderer wissenschaften, insbesondere aus der logik und der mathematik, wirkt aber durchaus auch befruchtend zurück auf jene. So forderte die Physik beispielsweise die Mathematik heraus, die theorie der distributionen zu entwickeln - einfach dadurch, dass die Physik diese respektlos vorwegnehmend (und ohne stringentes gebäude von `definition-satz-beweis') einfach eingeführt und benutzt hatte
Hier findet eine paradoxe bewegung statt: einerseits erzeugt sich die Physik sowohl die Mathematik als auch vielleicht gar die materielle welt, derer sie bedarf (so werden seltsamerweise immer gerade diejenigen elementarteilchen gefunden, welche im `Zoo' der elemtarteilchen noch fehlen, welche die theorie fordert); andererseits ist die Physik aber für den geist weit weniger gefährlich als die Mathematik, denn sie ist eben nicht wie jene ein sich selbst tragendes gebäude, errichtet auf den in der abstrakten logik fußenden säulen Widerspruchsfreiheit, Abgeschlossenheit und Vollständigkeit, welche in ihrer abstraktheit prinzipiell eine jede welt zulassen, nicht kontrolliert und relativiert durch das erdbeben, welches ein von der angebeteten zurückgewiesener kuss erzeugt.
Ich habe auf die eine oder andere weise wahnsinnige mathematiker getroffen, doch lediglich `verrückte' Physiker - ihnen ist in der tiefe immer noch mutter erde das korrektiv. So waren auch viele grosse physiker religiös und wussten um die unmöglichkeit, mit der WissenSchaft, als höchster form der sprache, die wirklichkeit als wahrheit zu fassen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat dies wissen in seinem hauptwerk `Die Phänomenologie des Geistes' gegossen in die forderung `Das Wissen kennt nicht nur sich, sondern auch das Negative seiner selbst oder seine Grenze. Seine Grenze wissen heisst, sich aufzuopfern wissen'
Ein physiker muss notwendig die augen offen halten für die aussenwelt, in welcher er steht

Ein witz verdeutlicht vielleicht am besten die verhältnisse: Bei einer demonstration werden drei studenten verhaftet, ein mathematiker, ein experimentalphysiker und ein theoretischer physiker. Jeder wird in eine einzelzelle gesteckt und erhält eine büchse ravioli, doch keinen öffner. Am folgenden morgen werden die türen geöffnet. Der experimentalphysiker sitzt gesättigt in seiner völlig ramponierten zelle, überall ist der putz von den wänden gefallen, doch die büchse schließlich offen. Der theoretische physiker sitzt gesättigt in seiner zelle, lediglich eine macke ist in der wand, denn er hatte ja die ganze nacht über zeit, die bedingungen des öffnenden wurfes zu berechnen. Und der mathematiker schließlich sitzt bei eintreten der wächter in der mitte seiner zelle auf dem boden und meditiert: `gesetzt der fall, die dose wäre offen ...'
Ein eindrückliches beispiel für die verschiedenheit der welten der physik und mathematik: der mangelhaftigkeit eines raumes hilft die mathematik ab mit der `Ein-punkt-kompaktifizierung' nach Kolmogorov oder `Alexandroff-kompaktifizierung', definiert durch das bedürfnis des systemes, durch dieses bedingt und gleichwie erschöpft: der raum ist nun vollständig, das problem gelöst, der suchende befriedigt. Die Physik auf der anderen seite bemüht zur lösung ähnlicher fragen die singularität `schwarzes loch', welches in der modernen mythologie der welt (astronomie) die rolle Gottes der alten zeiten einnimmt, indem es das unbekannte und das unerkennbare vertritt, mit welchen man dennoch umzugehen hat. Doch dieses hilfsmittel ist nichts anderes als ein tor in eine neue welt, gefüllt bis an den rand mit fragen und neuen möglichkeiten für neue theorien
Die Mathematik erschöpft die (selbst-erschaffene) welt, die welt der Physik ist stets einen schritt jenseits unerfahrbar und unerkennbar

Der erste Physiker, welchen ich in persona kennenlernte, arbeitete im strahleninstitut des universitätsklinikums in Tübingen, er betreute die bestrahlungsgeräte. Die ersten Physiker, von denen ich lesend kenntnis erlangte, waren revolutionäre gegen die verstocktheit der vernunft: Galilei, Einstein
Pythagoras gilt als erster Physiker, war aber bezeichnender weise in erster linie ein esoterischer philosoph. Die aufnahmeprüfung in seine schule beinhaltete, 40 tage zu fasten: Jesus stand in guter tradition. Die Physik war verbunden mit mystik und religion, die Meta-ta-fisica war teil der Physik

Schauen wir uns die gängige definition des begriffes `Physik' an. Das wort Physik stammt aus dem Griechischen `physike (theoria)' = Naturforschung, über das Lateinische `physika' = Naturlehre zum mittelhochdeutschen `fisike' und ist nach dem `Großen Brockhaus' `die Lehre von solchen Naturvorgängen, die experimenteller Erforschung, messender Erfassung und mathematischer Darstellung zugänglich sind und allgemeingültigen Gesetzen unterliegen, insbesondere von Erscheinungs- und Zustandsformen der Materie, ihrer Struktur und ihren Eigenschaften ....' Ob allerdings die zeitgenössische trennung in Physik mit objektivem anspruch, und Metaphysik, mit philosophischem oder esoterischem anspruch, der dem Aritstoteles unterstellten trennung in physik als natur und ta-meta-ta-physika, verstanden als `das was hinter der natur steht' von jenem so gedacht war, bleibt fraglich - es gibt durchaus auch auslegungen, die dieses verhältnis räumlich/zeitlich interpretieren: das nach der niederlegung der werke zur physik geschriebene werk des Aristoteles trage diesen namen, sagt diese auslegung

[Nachtrag: Einige Worte zur Freiheit der Wissenschaften:
"Es gibt gigantische finanzielle Abhängigkeiten", sagt Otfried Nassauer vom BITS (Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit). "Viele Forscher sind vom Pentagon abhängig, auch wenn dies sogar liberale Amerikaner häufig bestreiten. Die angewandte Forschung wird aus meiner Sicht fast ausschließlich vom Militär gesponsert."
.... Der Ausbau der Universitäten in den USA nach dem zweiten Weltkrieg wurde maßgeblich vom Militär finanziert .... Ausgerechnet ein Ex-General, nämlich US-Präsident Dwight Eisenhower, warnte daher schon 1961 in seiner Abschiedsrede vor dem `militärisch-industriellen Komplex', der sich gegenseitig stützenden Allianz aus Militärs, Wissenschaftlern und Kräften aus der rasant wachsenden Rüstungsindustrie.
Aus dem Greenpeace Magazin 01/2004 p25
Interessant ist in diesem zusammenhang auch das projekt GATS (General Agreements on Trade in Services) und hier insbesondere die sparte GATE (Global Alliance for Transnational Education) der UN-Organisation WTO (World Trade Organisation) zur deregulierung des bildungsmarktes ]


Das Studium als Leben(sabschnitt)

Das physikstudium gilt bei vielen als der schwierigste aller studiengänge Meines erachtens ist die hälfte des studiums psychologie: durchzuhalten, obwohl man tagtäglich mit der erkenntnis konfrontiert ist, der einzig dumme zu sein. Von meinen kommilitonen brach etwa die hälfte das studium während des ersten und zweiten semesters ab.
Jedoch nicht nur der aus dem studium im engeren sinne erstehende druck ist enorm, auch das umfeld, in welchem es sich abspielt. Man gehe nur einmal auf der Morgenstelle in die baulich gleichen gebäude der physik und der biologie. Hier graue wände, vielleicht an einer einzigen tür ein bild von Einstein mit herausgestreckter zunge, sonst nur grau in grau, dort gänge voller leben, nicht nur von menschen, auch von terrarien, möbeln, wandbehängen aller art. Nun, ich war einige jahre nicht dort - die dinge können sich ja ändern ...

Der welt auf den grund gehen in jeder beziehung, der eigentliche ansatz zur physik, kann auch in politische aktivität münden, e.g. war zu meiner studienzeit in Heidelberg der kader des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) zu einem gutteil gestellt aus den reihen der physikstudenten (der oberste boss war ein mathematiker)
Jedenfalls: auch wenn das studium an sich nicht gerade locker zu nehmen war, traf ich doch durchaus viele kommilitonen, die aus einem philosophischen ansatz, aus neugier auf die welt und die ihr zugrunde liegenden bewegungen, begonnen hatten, physik zu studieren. Es gab immer reichlich stoff zu fach- und allgemeinen diskussionen


Die Berufsaussichten

Der arbeitsmarkt für physiker ist zwar groß, doch ausgewiesene stellen für physiker beim arbeitsamt sind eher rar. Als ich etwa 1992 das amt besuchte, wurden europaweit etwa 50 stellen geführt, kurze zeit später etwa die hälfte; und diese meist in formulierungen gehalten wie: `vertrautheit mit dem optischen analysesystem XYZ ist voraussetzung'. Und hier liegt dann auch gleich der schlüssel zur tür in den arbeitsmarkt als physiker im engeren sinne: im rahmen der diplom- oder doktorarbeit kennt man irgenwann die spezialisten auf dem fachgebiet, und diese kennen einen, und so werden die stellen quasi intern verteilt.
Und doch: Zähigkeit und durchhaltevermögen, logisches denken, `realitätsnahe verrücktheit' - denn eine theorie wie diejenige der quanten oder der relativität aufzustellen, kann nur ein von der herkömmlichen sicht der dinge `weggerückter' - wer diese schule durchlaufen hat, ist mit einiger wahrscheinlichkeit gewappnet für die unbillen der welt, und anpassungsfähig, ist fähig, das wesentliche in den dingen zu sehen, hat die hierzu notwendigen filter entwickelt und im griff.
Hier gilt vermehrt, was immer gilt: sind die richtigen methoden erlernt, ist jeder inhalt möglich. So traf ich beispielsweise auf einer reise in den bolivianischen Anden forscher aus einem SFB (SonderForschungsBereich) der Unis München und Erlangen auf den spuren der Inka-Wissenschaft, in anthropologischer forschung unterwegs eigentlich; doch waren der professor und sein assistent mathematiker und physiker.
Generell hat der arbeitsmarkt in den letzten jahren den physiker als vielseitig fähigen denker und analytiker erkannt. Zunehmend arbeiten physiker als unternehmensberater und manager. Die von mir persönlich kennengelernten physiker arbeiten fast immer nicht als physiker im engeren sinne, oft sind sie geschäftsführer.
Und doch sind die anfängerzahlen in der physik drastisch eingebrochen. Es herrscht ein mangel an physikern. Leider konnte ich keine tabellen hierzu finden, doch wenn ich mich recht entsinne, ging in der Uni Bonn, meinem damaligen arbeitgeber, die zahl der anfänger zum wintersemester zu beginn der 90er jahre auf weniger als 20% der nur wenige jahre zuvor noch geltenden zahlen zurück. Dies mag neben einer allgemein sich breitmachenden ablehnung gegen das rechnen mit der sich inzwischen als fachbereich etabliert habenden informatik als alternative zusammenhängen. Seit 1999 ist in Tübingen wieder ein anstieg der studentenzahlen zu verzeichnen, doch ist dies auf viele einschreibungen mit dem ziel der vermeidung der studiengebühren für langzeitstudenten zurückzuführen.

Aus den www-seiten bzw einem flyer der fakultät für mathematik und physik der universität Tübingen:
Das Berufsfeld für Diplomphysiker ist sehr breit. Viele Physiker arbeiten in der Grundlagenforschung. Dies umfaßt natürlich die verschiedenen Bereiche der Physik aber auch anderer Wissenschaften, wie Medizin, Chemie, Biologie und Ingenieurwissenschaften, in denen experimentelle Aufbauten oder Mathematische Modellbildungen gefordert sind. In der produzierenden Industrie (Elektrotechnik, Optik/Laser, Maschinenbau, Medizintechnik, Software) arbeiten Physiker an der Entwicklung, sowie in der Betreuung und Einarbeitung von Mitarbeitern in neue Technologien. In den letzten Jahren finden immer mehr Physiker eine Tätigkeit in dienstleistenden Wirtschaftsbranchen (Unternehmensberatung, Bank/Börse, Versicherung). Wegen der breiten Ausbildung sind die Berufsaussichten im Allgemeinen sehr gut
Bereits aus diesem fakt folgt doch nahezu notwendig, man solle das studieren, was einen selbst interessiert, nicht das, was man denkt, dass die anderen denken, dies sollte man studieren ....
So schreibt das `Manager Magazin' 08/2003 unter dem Titel `Generation 40 - Die jungen Wilden - Die neue Elite' u.a.: Mythos Studienwahl: Betriebswirtschaftslehre sei die Eintrittskarte in's Management - so das Klischee. In der Realität finden sich unter Deutschlands junger Wirtschaftselite nicht nur BWLer. Unter den Quereinsteigern sind überraschend viele Naturwissenschaftler. Metro-Mann Unger, der bis zum Vordiplom Physik studierte, sagt: ``Das strukturierte Denken aus diesem Studium hilft mir heute noch.'' Und im selben heft unter dem titel `Auf dem Sprung' über die software-schmiede SAP und ihren neuen lenker Henning Kagermann: ``.... der Professor der Physik .... Mit seiner stringenten Methodik hat Kagermann den eher trägen Konzern auf Tempo gebracht .... Die neue Klarheit verschafft dem Konzern enorme Kostenvorteile''

Es gibt immer den oben angesprochenen aussichtsreichen weg der bewerbung ins überall - so fand ich auf den web-seiten des arbeitsamtes am 04jul03 zwar nur ganze vier stellenangebote für physiker (suche beschränkt auf eingänge der vergangenen woche), und davon lautete eine (nur diese habe ich angeschaut):
Letzte Aktualisierung: 01.07.2003
Trainer/in f.Open Source/Linux
STELLENBESCHREIBUNG:
Anforderungen: Spaß an Wissensvermittlung in Form von Trainings, Consulting, dem Verfassen technischer Texte.- Naturwiss./techn.Studium, ideal mit Admin./Linux-Vorkenntnissen, Quereinst. mögl., Traineeprogr., siehe auch:www.......de
Betriebsart: Knowledge Management
Arbeitsort: Wohnortnähe d. Bewerber
Arbeitszeit: Vollzeit
Gehalt/Lohn: n.Vereinb.
Frei ab 01.08.03 Befristet: nein
Alter: gleich
Stellenanzahl 1


Das Studium technisch gesehen

An der Uni Tübingen gibt es keine zulassungsbeschränkungen für den studiengang Physik, das studium kann zum wintersemester (WS) sowie zum sommersemester (SS) begonnen werden, es empfielt sich das WS. Studienvoraussetzung ist die Allgemeine Hochschulreife.
Es werden zwei berufsqualifizierende studiengänge angeboten, mit den abschlüssen: Physik-diplom oder Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien (Staatsexamen). Der wechsel zwischen diesen studienzielen ist möglich, da das studium zur staatsexamensprüfung weitgehend dem diplomstudiengang in den bereichen experimentalphysik und theoretische physik entspricht.
Das studium ist unterteilt in ein grund- und ein hauptstudium von jeweils vier semestern, abgeschlossen im falle des diplom-studienganges durch eine diplomarbeit, erstellt in einbindung in eine forschungsgruppe.
Real sind die studienzeiten meist länger.

Grober aufbau des studiums: in den ersten beiden semestern experimentalphysik und mathematik, daneben die `externen' nebenfächer chemie (mit praktikum im zweiten semester) oder informatik.
In den semestern drei und vier tritt die theoretische physik an stelle des nebenfaches. Im zweiten und dritten semester liegen praktika zur experimentalphysik. Begleitet werden die hauptvorlesungen durch übungen und ergänzungen.
Nach dem vierten semester folgt die mündliche prüfung `vordiplom' in den fächern Experimentalphysik, Theoretische Physik, Mathematik sowie dem nebenfach, in welchem aber i.a. eine klausur anstelle der mündlichen prüfung ausreicht.
Im fünften bis siebten semester werden experimentalphysik, theoretische physik und angewandte physik gelehrt, dazu ein wahlfach aus einem breiten katalog, welcher neben spezialgebieten der physik auch solche der anderen naturwissenschaften und sogar die wirtschaftswissenschaften enthält. Das achte semester ist einem letzten praktikum, einem seminar in experimentalPhysik oder theoretischer Physik sowie dem wahlfach vorbehalten. Im neunten und zehnten semester soll die diplomarbeit erstellt werden. Abgeschlossen wird das studium durch eine mündliche prüfung in den fächern Experimentalphysik, Theoretische Physik, Angewandte Physik, Wahlfach

Wer bereits konkrete vorstellungen zum gebiet seiner diplomarbeit hat, sollte sich ggf rechtzeitig nach einer uni umsehen, die eine arbeitsgruppe zu diesem themenbereich aufweist.
Generell kann eine wie auch immer geartete exotische kombination von fächern und interessengebieten interessant werden
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Einschulungsrede 2005

Sehr geehrte Eltern, Lehrer,
Sehr geehrte Anwesende, und insbesondere
Liebe neue Gymnasiastinnen und Gymnasiasten

Sicher kennt Ihr alle bereits aus der grundschule die bedeutung der klassenkameraden für Euren schultag, ob Ihr nun geschwister habt oder als einzelkind aufgewachsen seid. Viele grundlegende erfahrungen werdet Ihr alle miteinander machen, im guten wie im bösen. Denkt stets daran, dass der mitunter `böse' mitschüler eben auch ein wenig Euer `böser' bruder ist. Nur oberflächlich betrachtet ist die schule in erster linie eine vermittlerin von vernunft. Denn eben dadurch, dass sie über viele stunden an vielen tagen Euer umfeld bildet, leistet schule viel mehr als das. Ihr werdet gemeinsam lernen, planen, erfolge wie enttäuschungen einstecken müssen, und auch streiten. All dies wird die schule für Euch sein.

Der mensch lebt nicht von der vernunft allein. Und wohin ein zuviel an `vernunft', ein zuwenig an verstand und herz führen kann, hat uns ja gerade die deutsche geschichte deutlich gezeigt. Der stammesälteste bei den Hopi-Indianern erklärte mir einst, die greueltaten der nazizeit wären nur durchführbar gewesen von menschen, die das LEBEN hassen. Das LEBEN hassen - wie kann das sein, wo es so viel zu erfahren und zu lernen gibt, dass ein einzelnes menschenleben gar nicht auszureichen scheint.

Denkt daran: nur wenn Euer herz mitreden darf, werdet Ihr auf lange sicht glücklich und zufrieden und wirklich lebendig sein können. Und Euer herz will teil sein des ganzen. Zum teil sein gehören nehmen und geben, jede gemeinschaft lebt vom austausch, auch `kommunikation' genannt. Hier in diesen hallen naheliegender weise in erster linie von der weitergabe des wissens. Und wenn Ihr dies recht zu verstehen versucht, werdet Ihr sehen, dass es nicht darum gehen kann, den lehrer die welt in's klassenzimmer tragen zu lassen, seine belehrungen über sich ergehen zu lassen, sie vielleicht noch in's heft zu schreiben, und sie dann wieder zu vergessen.

Ein altes chinesisches wort sagt: ich höre, ich vergesse; ich sehe, ich behalte, ich tue, ich begreife. Deshalb kann nur der wirklich lernen, der auch lehrt, sein wissen weitergibt. Auf einem plakat in der Türkei habe ich einmal gelesen `Neben jedem wissenden soll ein unwissender sitzen, dem der wissende seine kenntnisse weitergibt'. Seid also nicht zu hartherzig mit einem hausaufgaben abschreibenden schulkameraden. Kann es nicht sein, dass er im grunde Eure hilfe braucht, nicht einfach faul ist? Vielleicht hat er auch noch nicht die kraft gespürt, die vom wissen um das eigene wissen ausgeht. Helft ihm dabei, sich zu entfalten. Und wenn er aus bequemlichkeit lieber abschreibt, als selbst weiterzuschreiten, dann versucht ihm klarzumachen, dass er sich dadurch selbst schadet; denn je größer der abstand zu den zielen wird, desto schwieriger wird es auch, mitzukommen auf dem weg des wissens.

Ich wünsche Euch viel glück und verstand und vor allem durchhaltevermögen in dunklen zeiten. Es geht immer weiter, und leben bedeutet nun einmal lernen, so oder so. Und dies gilt genauso für eure kameraden in der hauptschule, vergesst sie also nicht, denn sie bleiben euch als menschen ähnlicher, als viele glauben mögen. Und manch einer hat schon von einer lebendigen freundschaft mit einem gymnasiasten viel gelernt - und dieser ebenso.

Ein wort an die eltern:
Schule übernimmt zunehmend zeit und erziehung/ausbildung in unserem leben. Schon deshalb wird die beziehung der eltern mit der schule immer wichtiger, wollen sie weiterhin eltern bleiben im sinne der zentralen erziehungsinstanz. Dabei hat das delegieren von erziehungsaufgaben eine lange tradition, ist nicht etwa eine neumodische erfindung der industrialisierten welt. Bereits die alten germanen hatten das mündelwesen, welches im wesentlichen durch austausch - wieder: kommunikation - die zu erziehenden den erziehenden neu zuordnete.

Die eltern werden an der schule vertreten durch den elternbeirat. Den direktesten bezug bildet dabei der klassen-elternvertreter als ansprechpartner der eltern bei fragen und problemen. Die elternvertreter sind organisiert auf schulebene im Elternbeirat der schule. Übergreifend treffen sich die Elternbeiratsvorsitzenden aller schulen des schulträgers, sieben an der zahl, zu sitzungen des Gesamtelternbeirates Hechinger Schulen; hier geht es eher um die bauliche seite von schule, welche aber wiederum auf die schulstruktur einwirkt, siehe die diskussion um die ganztagesschule mit mensa etc. Auf der ebene des Regierungsbezirkes gibt es den Arbeitskreis der Elternbeiräte der Gymnasien zum informationsaustausch unter allen allgemein bildenden und beruflichen gymnasien. Und schließlich gibt es auf landesebene den Landeselternbeirat als die kultusministerin beratendes organ, sowie den Arbeitskreis der Gesamtelternbeiräte Baden-Württemberg. Der föderalen struktur der landes-organisationen übergeordnet ist der Bundeselternrat. Vor dem hintergrund des scheiterns der Föderalismuskommission an der bildungsfrage kommt diesem vielleicht eine neue bedeutung zu.

Wie Sie sehen, ist also die elternschaft prinzipiell gut verankert im schulwesen - es kommt d'rauf an was man d'raus macht. Letztlich werden Ihre kinder Ihnen für jedes engagement in der schule dankbar sein. Die eltern jeder klasse wählen einen elternvertreter und dessen stellvertreter, wie Sie es bereits aus der grundschule kennen. Stellen Sie sich zur wahl, wenn Sie sich dieses wenig zeit raubende amt zutrauen. Sprechen Sie Ihren vertreter an, wenn es Ihnen geboten erscheint. Die wahlen werden auf dem ersten Elternabend durchgeführt. Adressen des elternbeirates etc. entnehmen Sie bitte der einladung zur wahl









Rede zur Verabschiedung der Abiturienten 2005
(Thema: Der Mensch lebt nur um zu lernen)

Rede zur Verabschiedung der Abiturienten 2006
(Thema: Es gibt Gesellschaften, die jeden zum Unternehmer machen)




Rede zur Verabschiedung der Abiturienten 2005

Sehr geehrte Anwesende, insbesondere
Sehr geehrte Abiturientinnen und Abiturienten,

Sowohl vom Elternbeirat des Gymnasiums als auch vom LandesElternBeirat darf ich Ihnen die besten Grüße und Glückwünsche übermitteln

Nun ist die Schulzeit vorbei, und doch hat das Lernen kein Ende. Die Medaille hat dabei immer zwei Seiten. So kommt hier einerseits ein Elternvertreter auf die Bühne und meint, Sie nach all den mit Schule und Lehrern gefüllten Jahren auch noch belehren zu müssen; andererseits aber muss dieser Elternvertreter auch erst lernen, vor Abiturienten eine Rede zu halten. Ganz allgemein wird das Los des Menschen in zwei besonders prägenden Leitsätzen so gefasst:
`Der Mensch lebt nur um zu lernen' und `Wer lernen will muss auch lehren'.
Letzteres gilt nach ersterem also nicht nur, wie in unserer Zeit erkannt, für das Berufsleben, sondern für das Leben als ganzes, auf allen Ebenen Ihrer hoffentlich vielfältigen Existenz.
Der große Mystiker des Mittelalters, Meister Eckhart, lehrt uns: `Der Mensch kann nicht alles tun, er kann nur eines tun, und in diesem Einen muss der alles fassen'. Das bedeutet:
Wenn es darum geht, immer zu lernen, sollten wir zusehen, das richtige zu lernen, also die richtigen Dinge tun, sprich effektiv lernen, und die Dinge richtig tun, sprich effizient lernen. Beide Aspekte lassen sich dabei nicht wirklich trennen. Wir sind also aufgerufen, erst einmal uns selbst zu erkennen, unsere Höhen und Abgründe, Begabungen und Neigungen. Dann das Richtige auszuwählen und hier unser Bestes zu geben. Unser Bestes geben müssen wir natürlich immer, denn wir leben NUR um zu lernen, also gilt dies auch für unsere schwächeren Seiten.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie neben allem Faktenwissen auch gelernt haben, das Wesentliche zu erkennen, auch und gerade in sich selbst. Dass Sie nicht gefangen sind in dieser Erkenntnis des Selbst, sondern es durch seine Befreiung wirken lassen, zum Nutzen der Welt. Vergessen Sie nie: eifersüchtig festgehaltenes Wissen ist nicht wahres Wissen. Der große Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel drückt dies in seinem Hauptwerk `Die Phänomenologie des Geistes' so aus:
`Die verständige Form der Wissenschaft ist der allen dargebotene und allen gleichgemachte Weg zu ihr, und durch den Verstand zum vernünftigen Wissen zu gelangen, ist die gerechte Forderung des Bewusstseins, das zur Wissenschaft hinzutritt; denn der Verstand ist das Denken, das reine Ich überhaupt; und das Verständige ist das schon Bekannte und das Gemeinschaftliche der Wissenschaft und des unwissenschaftlichen Bewusstseins, wodurch dieses unmittelbar in jene einzutreten vermag ....'
Und etwas weiter: `Erst was vollkommen bestimmt ist, ist zugleich exoterisch, begreiflich und fähig, gelernt und das Eigentum aller zu sein'
Ich will mir einen praktischen Hinweis erlauben: erlernen Sie, was Sie interessiert, nicht das, was Sie der Welt, den Anderen unterstellen, dass es gewünscht sei. Wahre Stärke kann nur aus einem Weg kommen, und ein Weg kann nur zu Ende gegangen werden, wenn er voller Freude ist. Und wer richtig lernt, der lernt in erster Linie, zu lernen. In den bolivianischen Anden traf ich einst ein mit anthropologischen Forschungen befasstes Team einer deutschen Universität - der Leiter und sein Assistent waren studierte Physiker und Mathematiker.
Und eine einfache Information aus der Wirtschaftswelt: bereits 2008 werden den weit über zehn Tausend benötigten Berufseinsteigern in das Elektroingenieurswesen nur etwa acht Tausend Hochschulabsolventen gegenüberstehen. Auch eine von der Globalisierung gebeutelte Wirtschaftswelt bietet also durchaus Perspektiven

Und noch ein Wunsch zum Schluss: Mögen Sie dereinst als Eltern in die Schule der Zukunft einen guten Geist tragen






Rede zur Verabschiedung der Abiturienten 2006
Erweiterte Fassung: Urtext wie vorgetragen so, erweiterter Text so, Anmerkungen so

Sehr geehrte Anwesende, Eltern, Verwandte, Freunde, Lehrer
insbesondere aber liebe Abiturientinnen und Abiturienten,

Zuallererst möchte ich Ihnen im Namen des Elternbeirates Ihrer Schule sowie auch im Namen des LandesElternBeirates zur bestandenen Reifeprüfung gratulieren.

Sie werden in eine sich immer schneller verändernde Welt entlassen, in der die dauernde Aufgabe lebenslangen Lernens gilt; deshalb hier noch ein Fernglas für das Reisegepäck.

Bekanntlich führt die Globalisierung mehr und mehr zum Export der einfachen Arbeitsplätze. Einen der möglichen Lösungsansatz bietet die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch neue unternehmerische Initiative. Gerade das Gymnasium soll nach allgemeinem Verständnis Führungskräfte ausbilden - eine solche kann aber doch auch und insbesondere ein eigenes Unternehmen führen. Hierzu bedarf es des Mutes. Wer wagt, gewinnt, heißt es zwar, doch wird in Deutschland ein gescheiterter unternehmerischer Versuch eher verspottet. Ganz anders in den USA: hier wird er als wagemutig geachtet. Es bedarf also bei uns einer Veränderung des Blickwinkels, einer Belebung des Zeitgeistes.

[ .... ein Ergebnis der aktuellen GEM-Untersuchung [Global Entrepreneurship Monitor der London Business School, untersucht seit 1999 fast 40 Länder] über Deutschland. Es besagt, dass es fast kein Land auf der Welt gibt, in dem mehr Menschen Angst haben, mit ihrer Unternehmensidee zu scheitern. Und daher gar nicht erst den Weg in die Selbstständigkeit wagen. Aus verständlichen Gründen: Wer in Deutschland Pleite geht, hat in den Augen der meisten nicht eine wichtige und notwendige Erfahrung des Unternehmertums gemacht, sondern ist ein Versager.
Ein zweites wichtiges Forschungsergebnis für Bischoff: Die Neigung, sich selbstständig zu machen, nimmt bei den Angestellten aus dem mittleren Management spürbar ab. Da jedoch vor allem im Topmanagement genau diese Neigung erfolgsrelevant sei, so Bischoff, könnte in deutschen Unternehmen in Zukunft der Nachwuchs für diese Positionen fehlen. CEO-Posten in großen Unternehmen würden dann immer häufiger von Ausländern besetzt.
Um diese Stimmung zu verändern und solche Tendenzen zu beeinflussen, sollten sich nach dem Willen der Professorin die Lehrpläne in den Schulen langfristig ändern.
.... Gerade die Medien täten häufig das Gegenteil. Bei Geschichten über erfolgreiche Selbstständige schwinge oft ein `Mit rechten Dingen ist das nicht zugegangen' mit. Dagegen stürze man sich gern auf Gescheiterte, etwa in Ostdeutschland.
      Aus dem Wirtschaftsmagazin
`brand eins'     08/aug2006,
      Rubrik `Was Unternehmen nützt _Selbstständigkeit'
siehe auch hier ]

Doch nicht nur von den USA mit ihrer `modernen' Gesellschaft können wir in dieser Hinsicht lernen, sondern auch von traditionellen (west-)Afrikanischen Gesellschaften.
So will ich denn hier kurz berichten aus einem Artikel von Georg Elwert mit dem Titel `Jede Arbeit hat ihr Alter', abgedruckt in `Geschichte und Zukunft der Arbeit', erschienen im Jahre 2000 im Campus-Verlag.
Das hier Vorgestellte betrifft eine ganze Reihe von Gesellschaften, insbesondere aber die Ayizo, eine bäuerliche Gesellschaft in Benin / Westafrika.

Bei diesem Volk steht der Begriff `Arbeit' für alles Handeln für sich selbst oder andere, das auch für andere geleistet werden kann - also nicht für selbstbezogene körperliche Handlungen - und das aus gesellschaftsimmanenter Sicht unverzichtbar erscheint. Beispiele sind die Arbeit auf dem Maisfeld, Essen kochen für die Familie, in Trance tanzen für die Götter, Konflikte schlichten, auf Kunden warten auf dem Markt.

Männer und Frauen steigen durch Übergangsrituale alle acht Jahre in eine höhere Klasse auf. Zu jeder Altersklasse gehört eine typische Form von Arbeit mit spezifischen gesellschaftlichen Aufgaben und Rechten, insbesondere Eigentumsrechten.
So sind zBsp die jungen Männer (dònkpε) zuständig für Verteidigung, inszenierte Scherze und insbesondere für die harte Arbeit des Schwendens der Felder. Obwohl Letzteres das Paradigma für harte Arbeit ist, wird intellektuelle Arbeit nicht etwa vom System ausgeschlossen, sondern vielmehr wegen der damit einhergehenden Geschicklichkeit aufgewertet. Die dònkpε haben eine Selbstorganisation mit selbst gegebenen Regeln und gewählten Repräsentanten.
In einigen dieser Gesellschaften ist es Aufgabe der Dorfgemeinschaft oder der Verwandtschaftslinie, die notwendigen Investitionen zu stellen, zBsp für das neu gebildete Fischer-Kollektiv - ein Eigentumstransfer entsprechend dem bei uns nach dem Tode üblichen - ein `Vorerbe' sozusagen.
Und insbesondere: nach der Phase harter physischer oder intellektueller Arbeit wird jeder selbständig, gleichgültig womit, doch nicht in einem genau bestimmten Alter: man kann eine Zeitlang hin und her pendeln.

In diesem System gibt es keine Arbeitslosen. Man steht entweder in Lohn, oder man ist (ggf. armer) Unternehmer. Die Arbeit endet nie, auch ein alter Mensch wird bis zum Ende seines Lebens zBsp Unkraut jäten. Wer nicht arbeitet oder Rat gibt, der ist krank oder, wie sie sagen, `ermattet'. Die Bedeutung des Wortes `Arbeitsloser' ist den Ayizo unklar.
Das Modell der Phasen-Arbeit, korrespondierend dem Lebenszyklus, bildet einen radikalen Kontrast zu dem bei uns noch immer vorherrschenden Paradigma des Lebensberufes und ist - unter Voraussetzung des Wechsels zur Selbständigkeit - sehr effizient in der Nutzung physischer und intellektueller Kapazitäten.
Dass nicht (oder nicht mehr) diese lebensalters- und produktions-bezogene Effizienz in unserer Industriegesellschaft das Paradigma abgibt, sondern, wenn auch immer weniger, das Modell des `lebenslangen' Berufes, mag auf den sozialintegrativen Effekten dieser Berufskarrieren und ihrer sozialen Absicherung beruhen.

Es gibt aber außer der Kraft der institutionalisierten Selbständigkeit noch mehr Interessantes anzuschauen in Benin, unter anderem:

Aus obiger Sicht bedeutet Modernisierung, dass die arbeitsteilige Arbeit `idiotischer' wird. Dass auch minder begabte Personen durch den Zufall der Examina oder das Geschick des Bestechens in den Staatsdienst gelangen können und dort mehr verdienen als in der Landwirtschaft wird von manchen Ayizo gern als Beleg für die sinkende intellektuelle Anforderung der `modernen' Arbeit zitiert.

Das Bildungssystem in Benin, am Rande bemerkt, trägt mit dem Auswendiglernen anwendungsferner kanonischer Bildung als Vorbereitung auf ritualgleiche Examina der - wortlosen - praktischen großen Intelligenz der Ayizo und anderer Gesellschaften keine Rechnung, was zu hohen Abbrecherzahlen und alsbaldigem Rückfall in das Analphabetentum führt.

Arbeitsfreude hat nicht nur mit dem Produkt zu tun, sondern auch mit der Betätigung des eigenen Körpers und Geistes. Arbeitsfreude wird insbesondere durch Arbeitsstolz geformt.
So gehören um Tanz auch Phasen eines Wettbewerbes; dieser ist der Arbeit sehr nahe, da die Motorik des Tanzens der Feldarbeit gleicht. Profilieren kann sich nur, wer durch regelmäßige Feldarbeit im Training ist. Aus diesem Grunde hatten die Oberschüler eines Dorfes (Ayou) mehrfach gegen allzu athletische Tänze Stellung bezogen.
Die Prestigezuweisung der Arbeitsleistung erfolgt bei den Ayizo bezüglich der alterstypischen Fähigkeit.
Ist bei uns das geringe Einkommen von Arbeitslosen und Rentnern deren einziges großes Problem? Schafft nicht der Ausschluss von der Chance, durch Arbeit Prestige zu erwerben ein ebenso großes Problem? .... Geht der (Lohn-)Arbeitsgesellschaft [neben der Arbeit] das Prestige aus, das sie verteilen könnte? Bei den Ayizo schafft unentlohnte Arbeit für Bedürftige oder für die ganze Gesellschaft große Ehre.

Arbeit ist immer zukunftsgerichtetes Handeln und bedarf damit einer gewissen Planbarkeit. So kann zBsp die gesellschaftliche Einbettung der Arbeit Gewissheit / Sicherheit schaffen. In Benin fehlt der bei uns vorhandene sozialrechtliche Schutz der bzw. durch die Erwerbsarbeit fast durchgängig und wird durch ein ganzes Bündel von Arrangements und Strategien kompensiert, zBsp durch Bildung von, auch bei uns immer wichtiger werdenden, Netzwerken. So ist die vermeintliche große Autoreparaturwerkstatt tatsächlich ein Netz von Unternehmen und Subunternehmen, meist aus einer Person bestehend und untereinander durch mündliche Arbeitsauf- und Werkverträge verbunden.

Verstärkt werden diese Marktverträge durch andere soziale Beziehungen, die `Zeremonien'. Der Aufwand für Heiraten, Taufen, Beerdigungen etc. steigt seit den 50er Jahren kontinuierlich an.
Je mehr Gäste, insbesondere ungeladene, desto höher das Prestige des Gastgebers. Es werden so reziproke Verpflichtungen geschaffen. Im Politischen wie im Wirtschaftlichen hat in Benin der Klientelismus großes Gewicht.

Es gibt also noch viel zu lernen und zu tun!
Eine vielfältige Welt steht Ihnen offen, deren Gegenwart und Vergangenheit sehr wohl Lösungsansätze für die Herausforderungen der Zukunft bereit hält.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem Wege; möge es ein Weg mit Herz und Verstand sein!

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Türkisch als zweite Fremdsprache - zum Vorschlag der Parteivorsitzenden der SPD Baden-Württemberg Ute Vogt im Februar 2008

Türkisch als zweite Fremdsprache ?

Unsere in Wissenschaft, Technik und Dienstleistung hochspezialisierte Gesellschaft kann sich eine Schwächung durch innere Parallelgesellschaften nicht leisten. Kulturelle Intelligenz bedarf der Vielfalt.

Sprache ist das Medium per se für die Vermittlung einer Kultur mit ihrer Weltsicht und (gesellschaftlichen) Logik. Damit ist die Beherrschung der Sprache DAS integrierende Element der Kultur, und oberstes Anliegen jeder Beschulung muss die Ausbildung einer möglichst hohen Sprachkompetenz sein.

Gesellschaftliche Integration ist ein wechselseitiger Prozess. Der "Außenstehende" muss sich in die Welt der "Insider/Teilnehmenden" eingliedern. Die Innenwelt ihrerseits muss den Ankommenden bereits in seinem So-sein (an)erkennen, nicht erst als schließlich Assimilierten. Diese Anerkennung des Anderen wird unmissverständlich signalisiert durch das Angebot zu einer Unterrichtung in der Sprache seiner kulturellen Herkunft.

Schulunterricht muss stets die Gesellschaft als Ganze im Blick haben. Deshalb kann ein Unterricht in der Türkischen Sprache nur von in Deutschland ausgebildeten Lehrkräften erteilt werden und muss jederzeit durch andere Lehrkräfte, Eltern und Schüler nachvollziehbar sein. Diese Forderung erfüllt der derzeit letztlich durch das Türkische Religionsministerium angebotene muttersprachliche Unterricht nicht. Somit wird ein geregelter, für alle Schüler offener Fremdsprachenunterricht in obigem Sinne integrativer wirken denn der muttersprachliche.

Türkisch als dritte oder gar zweite Fremdspache anzubieten hat eine positive Wirkung auf die Gesellschaft, nicht jedoch das Angebot einer "Parallel"sprache mit Türkischem Abitur. Wird bereits im Kindergarten für eine hohe Deutsche Sprachkompetenz bei Kindern wie Eltern Sorge getragen, ist eine derartige Parallelität nicht nötig.




Kinderfänger


Aus `Der frühe Vogel fängt den Wurm - Je jünger die Kunden, desto besser funktioniert das Marketing. Konzerne versuchen, schon Kleinkinder zu konditionieren - und machen sich damit nicht nur Freunde'
Im Wirtschaftsmagazin
`brand eins' 08/oct2005, Rubrik `Was Werbung treibt':

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Noch einfacher sind Kinder in der Schule zu erreichen. Der amerikanische Schulsender Channel One zum Beispiel verschenkt Fernsehgeräte mit Videorekordern und Satellitenschüsseln an Middle- und Highschools in sozial schwachen Regionen. Als Gegenleistung darf Channel One ein tägliches Zwölfminutenprogramm in die Klassenzimmer senden. Sein zweiminütiger Werbeblock erreicht eine Traumquote von täglich acht Millionen Kindern an 40 Prozent der US-Schulen - und das vor einer Zielgruppe, die dabei weder umschaltet noch aufsteht, um zur Toilette oder zum Kühlschrank zu gehen. Knapp 200 000 Dollar kostet ein Dreißigsekünder bei Channel One. Sein Erfinder Ed Winter: "Die Marketingszene hat kapiert: Alle Straßen führen früher oder später in die Schulen."

Kinder entdecken Schritt für Schritt sich und die Welt. Ihr Weg ist Gesäumt von Werbebotschaften

Diese Straße wird viel befahren. McDonald's präsentiert Nachhilfeunterricht; die World Wrestling Entertainment sponsert Lesestunden; Britney Spears empfiehlt als Pappaufsteller die Schulmilch (und ihre neue CD); die Kantine wird von Pizza Hut betrieben; Exxon sponsert Unterrichtsmaterial; das Schulfest wird zum "Abend mit Disney"; und der Schulausflug führt nicht mehr in den Zoo, sondern in einen Mega-Store der Tierhandlung Petco, von dem die Kinder mit Geschenk-Tüten und Gutscheinen heimkehren. Das ist keine Hysterie, sondern Wirklichkeit an zahlreichen amerikanischen Schulen.
In deutsche Klassenzimmer kommen Marken zwar nicht so leicht, aber gesponserte Aufgabenhefte und Lernmaterial sind auch hier keine Neuheit.
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